Halle, Berlin (epd). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leopoldina haben sich in der Debatte um eine Neuregelung der Suizid-Beihilfe zu Wort gemeldet. In einem am Donnerstag veröffentlichten Diskussionspapier empfehlen sie, dass durch Ärzte überprüft werden solle, ob der Entschluss eines Suizidwilligen zur Selbsttötung wirklich selbstständig, frei und ohne Druck zustande gekommen ist. Grundsätzlich sollten bis auf sehr eng gefasste Ausnahmen nur Entscheidungen von Volljährigen anerkannt werden, heißt es in den Empfehlungen weiter, die die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina veröffentlichte.
Zu den Kernpunkten einer möglichen gesetzlichen Neuregelung der Beihilfe zur Selbsttötung gehört nach Ansicht der Autorinnen und Autoren des Papiers auch, mindestens zwei Ärztinnen oder Ärzte einzubeziehen und dadurch die Prüfung des Selbsttötungswillens von der ärztlichen Hilfe zum Suizid personell und organisatorisch zu trennen. Außerdem müssten eine Bedenkzeit und umfassende Beratung sichergestellt werden, erklären die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Das Diskussionspapier wurde von zwölf Medizinethikern, Juristen und Palliativ-Spezialisten verfasst, darunter der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle und die Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr das Verbot organisierter Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Der Bundestag diskutierte im April, inwieweit der Staat diese Form der Sterbehilfe ermöglichen oder verhindern soll. Zwei Parlamentariergruppen schlagen vor, Ärzten unter bestimmten Bedingungen die Verschreibung tödlich wirkender Medikamente auch für den Suizid zu erlauben. Der Deutsche Ärztetag hatte im Mai auf das Urteil reagiert und das Verbot der Hilfe zur Selbsttötung aus der Berufsordnung gestrichen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 den 2015 geschaffenen Strafrechtsparagrafen 217, das Verbot der organisierten - sogenannten geschäftsmäßigen - Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Die Richter urteilten, dass das Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht umfasst, sich das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Suizidassistenz leistet, wer einem Sterbewilligen ein todbringendes Medikament überlässt, aber nicht verabreicht.