Pop-Expertin kritisiert Umgang der Musikindustrie mit Suchtkranken

Pop-Expertin kritisiert Umgang der Musikindustrie mit Suchtkranken
15.07.2021
epd
epd-Gespräch: Holger Spierig

Bochum (epd). Der Fall der vor zehn Jahren gestorbenen britischen Sängerin Amy Winehouse (1983-2011) zeigt nach Worten von Pop-Expertin Stefanie Roenneke auch einen problematischen Umgang der Musikindustrie mit suchtkranken Künstlern: „Aus meiner persönlichen Sicht ist es verwerflich, eine Künstlerin auf die Bühne zu stellen, die offenkundig ein Suchtproblem hat und nicht in der Lage ist, ein Live-Konzert durchzustehen“, sagte die Kulturwissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die letzten öffentlichen Auftritte der Musikerin.

Doch offensichtlich sei die Aufmerksamkeit ausgenutzt worden, um Konzerte zu spielen und Platten zu verkaufen. „Ich habe Zweifel, ob der Umgang mit ähnlichen Fällen heute anders wäre“, sagte Roenneke, die am Bochumer Institut für Pop-Musik der Essener Folkwang Universität arbeitet.

Durch die sozialen Medien werde die Zurschaustellung von persönlichen Problemen verstärkt. Schmerz oder Leiden gehörten zum Popstar-Image dazu, um eine gewisse Echtheit zu symbolisieren. Deshalb werde so etwas weiterhin gewinnbringend eingesetzt werden. „Als Popmusiker sollte man sich daher ein auf das eigene Wohlbefinden ausgerichtetes Umfeld schaffen, um mit bestimmten Arbeitsweisen der Popindustrie umgehen zu können“, rät sie.

Winehouse, die durch ihr Album „Back To Black“ eine der erfolgreichsten britischen Sängerinnen wurde, starb am 23. Juli 2011 im Alter von 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung. Zu ihrem Erfolg hätten ihre ausdrucksstarke Stimme und ihre schmerzbeladenen Texte beigetragen, die mit ihrem selbstzerstörerischen öffentlichen Image einhergegangen seien, erklärte Roenneke.

Die Künstlerin habe nicht nur durch ihren Retro-Sound einen großen musikalischen Einfluss ausgeübt. Sie habe auch eine Entwicklung begünstigt, „in der unkonventionelle Pop-Persönlichkeiten eine Chance bekommen und Erfolg haben - Popstars, die sich von gewöhnlichen Inszenierungen absetzen“. Dazu gehörten beispielsweise Lady Gaga oder Billie Eilish.