Frankfurt a.M., Addis Abeba (epd). Acht Monate nach dem Beginn der Kämpfe in der äthiopischen Krisenregion Tigray hat die Regierung überraschend eine einseitige Waffenruhe verkündet. Auf Ersuchen der lokalen Führung und aus humanitären Gründen seien mit sofortiger Wirkung die Kämpfe ausgesetzt worden, teilte das Außenministerium am frühen Dienstagmorgen auf Twitter mit. Die äthiopische Armee liefert sich seit November heftige Kämpfe mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die zuvor in der Region im Norden des Landes an der Macht war.
Die Zentralregierung hatte gegen den Willen der TPLF eine regionale Übergangsregierung in Tigray eingesetzt, die der offiziellen Mitteilung zufolge am Montag um einen Waffenstillstand gebeten hatte. Das Aussetzen der Kämpfe solle demnach dazu beitragen, dass der Zugang für humanitäre Hilfe verbessert werde und Tigray wieder aufgebaut werden könne. UN-Schätzungen zufolge sind rund 350.000 Menschen in der Region von einer Hungersnot bedroht. Tausende Menschen wurden getötet, rund 1,6 Millionen vertrieben.
UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, es sei entscheidend, dass die Zivilbevölkerung geschützt werde, humanitäre Hilfe die Menschen erreiche und eine politische Lösung gefunden werde. Guterres teilte am Montagabend auf Twitter mit, er habe mit dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed gesprochen und hoffe, dass ein tatsächliches Aussetzen der Kämpfe stattfinde. Wie lange die Waffenruhe gelten soll und ob sich auch die TPLF daran halten will, war zunächst unklar.
Hintergrund des Konflikts in Tigray ist ein Streit um die Macht zwischen der Zentralregierung und der TPLF, der Anfang November eskalierte. Nach anfänglichen Verlusten eroberte die TPLF Medienberichten zufolge in den vergangenen Wochen Teile Tigrays zurück, darunter die Regionalhauptstadt Mekelle. Beide Seiten werden für schwere Verbrechen verantwortlich gemacht, unter anderem für systematische Vergewaltigungen, ethnisch-motivierte Massaker und den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe. Bisher hat die äthiopische Regierung unabhängigen Beobachtern, Hilfsorganisationen und Journalisten den Zugang in die Region weitgehend untersagt.