Hannover, Berlin (epd). Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat die aus seiner Sicht schleppende Familienzusammenführung von subsidiär schutzberechtigten Geflüchteten kritisiert und die Bundesregierung zur Beschleunigung der Verfahren aufgefordert. Er habe sich mit diesem Anliegen an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gewandt, sagte Pistorius am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Bundesinnenministerium wies die Kritik zurück.
Mitte 2018 habe die große Koalition in Berlin einen Kompromiss ausgearbeitet, wonach monatlich bis zu 1.000 Visa für nachzugswillige Angehörige erteilt werden sollten. Schon kurz danach habe sich allerdings der Trend gezeigt, dass diese Kontingente nicht ansatzweise ausgeschöpft würden. Er habe deshalb die niedersächsischen Ausländerbehörden schon im Oktober 2018 angewiesen, alle möglichen Schritte zur Verfahrensbeschleunigung unbedingt zu nutzen.
Der niedersächsische Innenminister forderte darüber hinaus, die nicht ausgeschöpften Kontingente auf die Folgemonate zu übertragen: „Erst recht wenn die betroffenen Personen nichts dafür können.“ Er werde sich weiter im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die Familien so schnell wie möglich zueinander finden können. Dies sei „unsere humanitäre Verantwortung“.
Das Bundesinnenministerium macht die „pandemiebedingt erschwerten Reisemöglichkeiten“ und Grenzschließungen für die nicht ausgeschöpften Kontingente verantwortlich. Zudem seien wegen der Coronakrise die Botschaften wie auch die Ausländerbehörden nur eingeschränkt arbeitsfähig, heißt es in dem von Seehofer unterzeichneten Brief an Pistorius, der dem epd vorliegt. Deshalb erscheine „eine substanzielle Steigerung der Antragszahlen und in der Folge der erteilten Visa jedenfalls kurzfristig nicht möglich“.
Im übrigen habe sein Ministerium die Behörden der Länder bereits auf Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung im Inland hingewiesen, schrieb Seehofer. Sie könnten etwa auf eine Prüfung von Integrationsaspekten verzichten, weil aufgrund der nicht ausgeschöpften Kontingente keine Auswahl getroffen werden müsse. Die am Verfahren beteiligten Ressorts würden auch weiterhin prüfen, „wie sich mögliche Verbesserungen zeitnah umsetzen lassen, um den berechtigten Anliegen der betroffenen Familien nachzukommen“. Auf die Forderung nach Übertragung der Kontingente auf die Folgemonate geht das Schreiben nicht ein.
Die Bundesregierung erteilt nach eigenen Angaben deutlich weniger als 1.000 Visa pro Monat, um Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland reisen zu lassen. In den ersten Monaten dieses Jahres bewegten sich die Zahlen im unteren bis mittleren dreistelligen Bereich. Knapp 11.000 Terminanfragen hätten die Botschaften bis März registriert. Das hatte zu Beginn der Woche eine Anfrage der Linken im Bundestag ergeben.