Münster (epd). Die Gesellschaften in Europa sind laut einer Studie in zwei verfestigte Lager gespalten. In Deutschland vertritt ein Drittel entgegengesetzte Positionen zu nationaler Zugehörigkeit, Migration und Benachteiligung, wie aus einer am Donnerstag in Münster veröffentlichen Studie des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ hervorgeht. In einem semi-autoritär geführten Land wie Polen seien es 72 Prozent.
In Deutschland werden demnach 20 Prozent dem konservativen Lager der „Bewahrer“ und 14 Prozent dem liberaleren Lager der „Entdecker“ zugeordnet. In Polen liegt der Anteil der „Verteidiger“ bei 27 Prozent und der der „Entdecker“ bei 45 Prozent.
Die Gruppe der „Verteidiger“ von traditionellen Kriterien wie ethnischer Zugehörigkeit und einheimischer Religion fühlten sich durch Fremde wie Muslime und Geflüchtete bedroht sowie selbst benachteiligt, hieß es. Die Gruppe der „Entdecker“ hingegen sehe Zuwanderung und wachsende Vielfalt als Chance und plädiere für eine Gesellschaft mit vielen gleichberechtigten Lebenskonzepten, hieß es.
In Deutschland befürworteten unter den „Verteidigern“ mehr als 60 Prozent ein enges Konzept der ethnisch-religiösen Zugehörigkeit, rund jeder zweite von ihnen fühle sich durch Muslime oder Geflüchtete bedroht. Nur jeder fünfte von ihnen (21 Prozent) sei mit der Demokratie zufrieden, nur rund jeder zehnte (11 Prozent) vertraue der Regierung und dem Parlament. In der Gruppe der „Entdecker“ fühle sich niemand bedroht oder marginalisiert. Eine große Mehrheit sei mit der Demokratie eher zufrieden und vertraue politischen Institutionen wie dem Bund und der EU.
Von der Gruppe der „Verteidiger“ zeige jeder dritte (33 Prozent) eine hohe Religiosität, rund jeder zweite (52 Prozent) sei eher der Heimat als der Welt verbunden. Unter den „Entdeckern“ hingegen zeige sich jeder vierte (24 Prozent) stark religiös und fast jeder dritte (31 Prozent) stark heimatverbunden.
Für die Studie wurden nach Angaben der Hochschule mehr als mehr als 5.000 Menschen in Deutschland, Frankreich, Polen und Schweden im November und Dezember 2020 befragt. Sie sei die bislang umfassendste Befragung zu Identitätskonflikten in Europa und der erste empirische Nachweis für identitätspolitische Spaltung, erklärte das Exzellenzcluster.