Frankfurt a.M., Genf (epd). Die Weltgesundheitsorganisation hat eine mögliche Lieferung von einer Milliarde Covid-19-Impfdosen durch die reichen G7-Staaten an arme Länder begrüßt. Eine derartige Aktion wäre sehr ermutigend, sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris am Freitag in Genf. Die WHO habe seit Monaten gefordert, dass die Länder mit einem Überschuss an Impfdosen die Wirkstoffe mit bedürftigen Ländern teilen sollten. Menschenrechtler hingegen kritisierten, eine freiwillige Abgabe von Vakzinen sei ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Vor Beginn des G7-Gipfels in Großbritannien hatte Premierminister Boris Johnson in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die anderen reichen Länder zum Handeln aufgerufen. Die Gruppe der sieben führenden Industrienationen sollten sich darauf einigen, eine Milliarde Impfdosen an Entwicklungsländer zu geben. Die britische Regierung erklärte, dieses Ziel solle durch Verteilung und Finanzierung von Impfstoffen erreicht werden.
Menschenrechtsorganisationen kritisierten die Ankündigung als zu wenig ambitioniert. Die Spende von einer Milliarde Dosen wäre ein Tropfen auf dem heißen Stein, erklärte die internationale Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard. Damit könne nicht einmal die Bevölkerung Indiens geimpft werden. Die Staatschefs der reichen Länder müssten aus den Taschen der Pharmaindustrie klettern, ihre eigenen Interessen beiseite schieben und sich aufrichtig dazu verpflichten, sicherzustellen, dass sich alle Menschen impfen können, egal wo sie leben. Das könne nur über die Aussetzung der Patente erreicht werden.
Auch Oxfam forderte, den Patentschutz auszusetzen. „Das Leben von Millionen von Menschen in Entwicklungsländern sollte nicht vom guten Willen reicher Länder abhängig sein“, erklärte Oxfam-Gesundheitsreferentin Anna Marriot.
Laut WHO-Sprecherin Harris sind bislang weltweit 1,9 Milliarden Impfdosen verteilt worden. Davon aber habe das internationale Programm Covax nur 81 Millionen liefern können. Covax soll dafür sorgen, dass alle Menschen einen gleichen und schnellen Zugang zu einer Immunisierung gegen Covid-19 erhalten, besonders in armen Ländern. Ob die von Johnson angepeilte Milliarde Dosen über Covax ausgehändigt werden solle, sei unklar, sagte Harris.
Berechnungen des Bündnisses „People's Vaccine Alliance“ zufolge würde es beim derzeitigen Impftempo bis zum Jahr 2078 dauern, bis die ärmsten Länder der Welt ihre Bevölkerungen immunisiert haben. Die Bürgerinnen und Bürger der G7-Staaten wären demzufolge bereits im Januar 2022 geimpft.
Die G7-Staaten halten ihren Gipfel von Freitag bis Sonntag in Carbis Bay, Cornwall, ab. Der Gruppe der sieben führenden Industrienationen gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA an. Schwerpunkte des dreitägigen Treffens sind unter anderem die Bewältigung der Corona-Krise, die Verteilung von Impfstoffen und die Klimakrise. Neben den G7-Staaten nehmen Australien, Indien, Südkorea und Südafrika als Gäste teil.