Die ersten hundert Tage haben eigentlich nichts „Magisches“, findet Dorothee Wüst. Vielmehr war das erste Vierteljahr im neuen Präsidentinnenamt angereichert mit viel Arbeit: Auf 60, 70 Stunden hat sich die Wochenarbeitszeit der 56-jährigen Kaiserslauterin aufgebläht, die seit März neue Präsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz ist. „Vieles ist neu und muss sich erst finden“, sagt Wüst. Gemeinsam mit ihrem neuen Team im Speyerer Landeskirchenrat und unterstützt durch ihre Familie wachse sie mehr und mehr in ihre Rolle als oberste Protestantin in der Pfalz und Saarpfalz hinein.
Dorothee Wüst ist sich bewusst, dass sie eine Pionierin und für manche weibliche Kirchenmitglieder sicher auch ein Vorbild ist. Als erste Frau überhaupt hat es die langjährige Dekanin von Kaiserslautern, die zuletzt als Oberkirchenrätin für den Bildungsbereich zuständig war, an die Spitze der Landeskirche geschafft.
Dass sie noch immer auf ihr Frau-Sein angesprochen werde, zeige, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auch in der Kirche noch nicht erreicht sei: „Wenn es selbstverständlich wäre, würde keiner fragen.“ In der Kirche setzt die gebürtige Pirmasenserin auf mehr Diversität und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis: Vor allem für die mittlere Ebene der Dekaninnen und Dekane fänden sich zu wenige Bewerberinnen, beklagt sie.
Wüst, die 1995 in den Pfarrdienst eintrat, weiß, „wie Kirche an der Basis funktioniert“. Als neue Kirchenpräsidentin wolle sie ohne Alleingänge ihre persönlichen Fähigkeiten einbringen, zuhören und helfen, die Kirche voranzubringen. Noch sei es zu früh, eigene Schwerpunkte zu setzen. „Im ersten Jahr geht darum, sich zu orientieren“, sagt Wüst, der die Themen Bildung und Kommunikation besonders am Herzen liegen.
Erste Feuertaufe war digitale Frühjahrssynode
Erschwert werde der Amtseinstieg durch Corona. „Man kann sich nicht persönlich kennenlernen, es gibt nur wenige Begegnungen“, sagt sie. Größtenteils arbeitet Wüst momentan am heimischen Schreibtisch oft bis spätnachts, pendelt hin und wieder nach Speyer. Ihre erste Feuertaufe erlebte die Kirchenpräsidentin, die in Kaiserslautern weiter wohnen bleiben und sich täglich etwas Zeit für die Familie nehmen will, bei der digitalen Frühjahrssynode.
Dankbar sei sie, dass ihre Mitarbeiterschaft in der Speyerer Kirchenverwaltung ihr den Rücken stärke, sagt Wüst, die als Kirchenpräsidentin viele zusätzliche Ehrenämter übernommen hat. Wichtig sei es ihr, in den kommenden Jahren gemeinsam mit den Menschen „die Kirche zukunftsfähig aufzustellen“.
Dabei setzt Wüst, die weiter als Verkündigungsautorin für den Radiosender SWR3 tätig sein will, auf eine Vernetzung kirchlicher Strukturprozesse und eine bessere Kommunikation der Kirche nach innen und außen durch ein neues Medienkonzept. Ein gutes Bild von Kirche will die Hobbytrompeterin übrigens mit einem eigenen Internet-Blog geben: „Wüst unterwegs“ soll das Format heißen, für das sie interessante Menschen interviewen will.