Essen, Berlin (epd). Der deutsche Mittelstand lehnt das geplante Lieferkettengesetz, auf das sich die Regierungsparteien geeinigt haben, entschieden ab. „Das Lieferkettengesetz ist für den unternehmerischen Mittelstand eine völlig überflüssige neue Zumutung in wirtschaftlich schweren Zeiten“, sagte Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Samstag). Es mute den Klein- und Mittelbetrieben zusätzlich zur Pandemiebekämpfung neue Bürokratie und damit Kosten zu. „Zu allem Überfluss werden Unternehmen nun auch unter Generalverdacht gestellt.“
Das Lieferkettengesetz soll große Unternehmen verpflichten, bei ihren internationalen Partnern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutzkriterien zu achten. Kommen die Firmen dieser Sorgfalt nicht nach, drohen Zwangs- und Bußgelder. In Kraft treten soll das Gesetz in zwei Schritten: ab 2023 soll es für die etwa 600 großen Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten gelten, ab 2024 für insgesamt knapp 3.000 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Als mittelständische oder kleine Unternehmen gelten Firmen mit bis zu 500 Beschäftigten.
Der deutsche Gesetzgeber presche in seinem Bestreben, den „europäischen Musterschüler“ zu spielen, weit vor, kritisierte Völz scharf. „Es bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament zeitnah ein eigenes europäisches Lieferkettengesetz mit Augenmaß beschließt und den deutschen Gesetzgeber einfängt.“
Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hofft auf eine EU-weite Gesetzgebung. „Die Europäische Union sollte nun auf Grundlage der deutschen Regelung einen Vorschlag für die Einhaltung der Menschenrechte in allen europäischen Lieferketten machen“, sagte der Minister der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag). Müller setzt sich seit Jahren für ein Lieferkettengesetzt ein und war mit Arbeitsminister Hubertus Heil maßgeblich an der neuen Regelung beteiligt. Die Vorarbeiten auf europäischer Ebene seien bereits in vollem Gange, sagte der Minister.
Nach monatelangem Streit in der Koalition einigten sich SPD und CDU am Donnerstag auf letzte Änderungen. Der Bundestag soll das Gesetzt noch vor Ende der Wahlperiode beschließen. Die aktuelle Fassung ist eine deutliche Abschwächung der ursprünglichen Pläne von Müller und Heil.