Rom, Köln (epd). Papst Franziskus lässt den Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen untersuchen. Das katholische Kirchenoberhaupt beauftragte nach Angaben des offiziellen Internet-Portals „Vaticannews“ vom Freitag die Bischöfe von Stockholm und Rotterdam, Anders Arborelius und Johannes van den Hende, mit einer Apostolischen Visitation in Köln. Der Diözesanrat, die Vertretung der Laien im Erzbistum, begrüßte die Untersuchung. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ brachte ihre Hoffnung auf einen „personellen und spirituellen Neuanfang“ im Erzbistum zum Ausdruck.
Die Gesandten des Heiligen Stuhls sollten sich im Juni vor Ort ein Bild der Situation im Erzbistum verschaffen, teilte die Apostolische Nuntiatur mit, die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls in Berlin. Dabei würden sie mögliche Fehler des Kölner Erzbischofs, Kardinal Rainer Maria Woelki, der Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff sowie des heutigen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße untersuchen. Woelki selbst begrüßte die vom Papst angeordnete Visitation. Er habe Franziskus bereits im Februar in Rom umfassend über die Situation informiert.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstag), eine Visitation bei einem Kardinal sei „äußerst ungewöhnlich“. Das zeige, das Rom und der Papst die Situation in Köln sehr ernst nähmen. „Da müssen die Römer schon in großer Sorge sein, dass an den Vorwürfen ernsthaft und substanziell etwas dran ist“, sagte der Direktor des Instituts für Kanonisches Recht der Universität Münster. „In 99 Prozent der Fälle ist eine Visitation der Anfang vom Ende.“
Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln begrüßte die Visitation. Sie zeige, „dass auch in Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist“, erklärte der Vorsitzende des katholischen Laienverbandes, Tim O. Kurzbach, am Freitag in Köln. Der Diözesanrat gehe davon aus, dass Mitarbeiter- und Laienvertreter an den Gesprächen mit den Visitatoren beteiligt würden.
Die Kirchenreformbewegung „Wir sind Kirche“ erklärte, die Visitation werde nicht nur das juristische Handeln in den Blick nehmen müssen, „sondern auch die moralische Verantwortung sowie die gesamte pastorale und kommunikative Situation im Erzbistum“. Für die Glaubenden im Erzbistum sei zu hoffen, „dass möglichst bald ein personeller und spiritueller Neuanfang“ gelinge.
Der Münsteraner Bischof Felix Genn lässt derweil innerhalb weniger Monate zum zweiten Mal prüfen, ob er kirchenrechtliche Ermittlungen gegen den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki aufnehmen lassen wird. Woelki werde erneut vorgeworfen, einen mutmaßlichen Vorfall sexueller Gewalt durch einen katholischen Pfarrer nicht weiter untersucht und nicht gemeldet zu haben, teilte das Generalvikariat in Münster am Freitag auf Anfrage mit. Eine entsprechende Anzeige sei beim Bischof von Münster eingegangen und an den Heiligen Stuhl weitergegeben worden.
Kardinal Woelki steht seit Monaten in der Kritik wegen seines Verhaltens im Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum. Im vergangenen Jahr hielt er ein von ihm beauftragtes Gutachten dazu wegen angeblich methodischer Mängel unter Verschluss. Ein zweites Gutachten, das im März vorgelegt wurde, entlastete den Erzbischof, stellte aber schwere Pflichtverletzungen bei weiteren Mitgliedern der Bistumsführung im Umgang mit Missbrauchs-Verdachtsfällen fest. Der frühere Kölner Generalvikar und derzeitige Hamburger Erzbischof Heße und der Kölner Weihbischof Schwaderlapp boten daraufhin dem Papst den Rücktritt an.
Auch an der Basis schwelt Unmut. In einem Anfang der Woche veröffentlichten Offenen Brief beklagten etwa 140 Gemeindemitglieder der Düsseldorfer Kirchengemeinde St. Margareta einen Vertrauensverlust und baten den Erzbischof, an einer Firmung am 9. Juni nicht teilzunehmen. Hintergrund sind Vorwürfe des Missbrauchs gegen einen Pfarrer, der von 1995 bis 2000 Kaplan in St. Margareta und St. Cäcilia in Düsseldorf-Gerresheim tätig war. Er war erst kürzlich beurlaubt worden, nachdem der Fall publik wurde.