Frankfurt a.M. (epd). Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hält die Berufung eines unabhängigen Beauftragten für die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche für unabdingbar. „Es hat extrem viel Mühe bei der Aufarbeitung gegeben und den ehrlichen Versuch, es gut zu machen“, sagte das Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Samstag auf einem digitalen Podium des 3. Ökumenischen Kirchentags. „Jetzt haben wir festgestellt: Es reicht nicht“, sagte sie in Reaktion auf die Ankündigung der EKD vom Montag, den Betroffenenbeirat aufzulösen.
„Ich bin bestürzt über die Auflösung des Betroffenenbeirats“, sagte die stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrike Scherf. „Ich bedauere die Entscheidung zutiefst.“ Es sei von zentraler Bedeutung, das Thema Missbrauch ernst zu nehmen. Der Generalvikar des katholischen Bistums Limburg, Wolfgang Rösch, erinnerte daran, dass sexueller Missbrauch ein in den Kirchen und in der Gesellschaft tabuisiertes Thema gewesen sei.
Erst durch die Begegnung mit Opfern seien ihm die Augen dafür geöffnet worden, „dass systemisch etwas geändert werden muss“, sagte Rösch. „Wir haben die Erschütterung gebraucht“, sagte er zum Impuls der Aufarbeitung. „Dann erwarte ich im Wortsinn, dass kein Stein auf dem anderen bleibt“, entgegnete Christiane Florin, Redakteurin für Religion und Gesellschaft beim Deutschlandfunk in Köln. Doch die Kirchen könnten ihre Verfehlungen nicht selbst aufarbeiten. „Das wäre zu schrecklich, was dabei herauskäme.“
Florin bezeichnete es als ein „massives moralisches Versagen“, dass nach Bekanntgabe der Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg in Berlin 2010 der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von bedauerlichen Einzelfällen gesprochen habe, die lange her seien. „Aber jeder in Personalverantwortung wusste: Es sind viele, es ist akut“, warf Florin vor.