Frankfurt a.M. (epd). Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hat seine Forderung nach einer offenen Debatte über Suizidassistenz unterstrichen. Das Thema müsse auch in der Kirche besprechbar sein, sagte Lilie am Samstag beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main. Es gehe darum, mehr „Einzelfallgerechtigkeit“ einzuüben, sagte er. Es gehe nicht „holzschnittartig“ um Lebensschutz auf der einen und Selbstbestimmung auf der anderen Seite, betonte er: „Wir brauchen eine Kultur des genauen Hinsehens.“
Lilie hatte sich gemeinsam mit anderen prominenten Vertretern der evangelischen Kirche dafür ausgesprochen, Suizidassistenz auch für kirchliche Einrichtungen nicht gänzlich auszuschließen. Hintergrund der Forderung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass das Verbot organisierter Hilfe bei der Selbsttötung gekippt und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben herausgestellt hatte.
Widerspruch erhielt Lilie in der Diskussion von der Palliativmedizinerin und Medizinethikerin Claudia Bausewein. In den allermeisten Fällen sei es möglich, eine Schmerzlinderung zu erreichen, so dass Schmerz am Lebensende erträglich werde, sagte sie. Sie forderte einen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung sowie eine Stärkung der Suizidprävention, um Sterbewünschen zu begegnen. Die katholische Moraltheologin Kerstin Schlögl-Flierl sagte, der Suizid sei immer eine „Hoffnungsabsage“. Aus katholischer Sicht gelte es immer, Leben zu erhalten.
Christine Schmitz, Pflegekraft in der palliativen ambulanten Versorgung, entgegnete, es gebe Fälle, in denen Schmerztherapien nicht helfen. Sie berichtete von ihrer Schwester, die über Jahre an schweren, nicht zu lindernden Kopfschmerzen gelitten habe. „Ich würde sagen, dass die Selbstbestimmung des Menschen über der Pflicht zur Lebenserhaltung steht“, sagte sie.
Der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main findet unter dem Leitwort „schaut hin“ noch bis Sonntag statt. Wegen der Corona-Pandemie sind die Veranstaltungen überwiegend digital.