Münster (epd). Jesiden aus dem Distrikt Sindschar im Irak haben laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen (OVG) keinen generellen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung. Derzeit drohe ihnen keine Verfolgung als Gruppe mehr durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“, erklärte das OVG am Montag in Münster. Mit seiner Grundsatzentscheidung hob das Gericht anderslautende Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf auf. (AZ: 9 A 1489/20.A und 9 A 570/20.A - I. Instanz VG Düsseldorf 13 K 2693/19.A und 16 K 4584/19.A)
Geklagt hatten den Angaben zufolge eine in Solingen lebende 19-jährige Jesidin aus dem Irak und ein alleinstehender 23-jähriger Mann aus Mülheim an der Ruhr. Das VG Düsseldorf hatte entschieden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ihnen wegen der Verfolgung der Gruppe der Jesiden in Sindschar durch den IS die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen muss. Dagegen richteten sich Berufungen des Bundesamts.
Die Jesiden seien zwar 2014 vor einer drohenden Verfolgung wegen ihrer Religion aus ihrer Heimat geflohen, hieß es in der Begründung des Urteils. Derzeit sprächen aber „stichhaltige Gründe“ gegen eine erneute Verfolgung der Glaubensgemeinschaft in Sindschar durch den IS. Die tatsächlichen Verhältnisse im Irak und auch die Sicherheitslage in dem Distrikt hätten sich „maßgeblich verändert“. Der militärisch besiegte IS sei zwar als terroristische Organisation weiter aktiv, aber nicht so, dass jedem Jesiden aktuell Verfolgungsgefahr drohe, erklärte der 9. Senat.
Individuelle Verfolgungsgründe hätten die beiden Kläger nicht geltend gemacht, hieß es. Sie könnten auch nicht den subsidiären Schutzstatus beanspruchen. Die Sicherheitslage in dem Gebiet sei nicht so einzuschätzen, dass praktisch jede Zivilperson in Gefahr sei, Opfer einer Gewalttat zu werden.
Ob Jesiden aus Sindschar wegen anderer Gefahren Abschiebungsschutz beanspruchen könnten, müsse in jedem Einzelfall entschieden werden, erklärte das Oberverwaltungsgericht. Die 19-jährige Solingerin hatte diesen vom Bamf zuerkannt bekommen, dem 23-jährigen Mülheimer verwehrte das OVG nun diesen Status. Er könne in der Autonomen Provinz Kurdistan Schutz finden, wo die humanitäre Situation „nicht menschenrechtswidrig“ sei. Ob er tatsächlich abgeschoben werde, entscheide die örtliche Ausländerbehörde.
Der OVG-Senat hat die Revision in den Verfahren nicht zugelassen. Dagegen ist aber eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.