Potsdam (epd). Der gewaltsame Tod von vier Schwerstbehinderten am evangelischen Oberlinhaus ist weit über Potsdam hinaus mit Entsetzen und Fassungslosigkeit aufgenommen worden. Die Tatverdächtige, eine 51-jährige Mitarbeiterin des diakonischen Sozialträgers, wurde am Donnerstag in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Am Abend wurde mit einer Andacht in der Oberlinkirche im engsten Kreis und ohne Öffentlichkeit Raum für Trauer gegeben. Daran nahmen auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein, und einige weitere Vertreter von Stadt und Land teil.
Zuvor legten Stäblein, Woidke, Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) und der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) schweigend Blumen vor dem Thusnelda-von-Saldern-Haus nieder. Dort war die Gewalttat, die eine Bewohnerin schwer verletzt überlebte, verübt worden.
Der theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, sprach am Donnerstag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der brandenburgischen Landeshauptstadt von einer "großen Erschütterung" für alle Mitarbeitenden. Es werde "eine Weile brauchen, bis wir das alles verstehen", sagte Fichtmüller.
In der Nacht zu Donnerstag waren laut Polizei in verschiedenen Zimmern der Einrichtung der Oberlin-Lebenswelten vier getötete Menschen und eine schwerverletzte Person gefunden worden. In dem Haus leben Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen. Einzelheiten zum Tatablauf und zur Motivation wurden zunächst nicht bekannt. Gegen die noch in der Nacht festgenommene Tatverdächtige wird wegen Verdachts auf Totschlag ermittelt.
Im Thusnelda-von-Saldern-Haus leben nach Angaben des Sozialträgers mehr als 60 Menschen, die von 80 Mitarbeitenden betreut werden. Bei den vier Getöteten handelt es sich laut Fichtmüller und Bereichsleiterin Tina Mäueler um Bewohner, die alle schon seit langer Zeit dort lebten, zwei davon bereits seit dem Kindesalter.
Auf seiner Internetseite schrieb das Oberlinhaus am Donnerstag: "All unsere Sorge und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Betroffenen." Auch evangelische Landeskirche und Diakonie sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl und ihre tiefe Anteilnahme aus. "Wir sind entsetzt und erschüttert über dieses Verbrechen an den Schwächsten und Schutzbedürftigsten in unserem diakonischen Haus", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Bischof Stäblein und den Vorständinnen Barbara Eschen und Andrea Asch vom Diakonischen Werk der Landeskirche: "Es ist ein trauriger Tag, ein schwarzer Tag für uns alle in Diakonie und Landeskirche."
Oberbürgermeister Schubert sprach auf Twitter von einer "unbegreiflichen Tat". Ministerpräsident Woidke erklärte, es sei eine "grauenhafte Tat, die die Stadt Potsdam und ganz Brandenburg zutiefst erschüttert". Auch der Brandenburger Landtag und weitere Politiker sprachen den Angehörigen der Opfer Mitgefühl und Anteilnahme aus.
Das Oberlinhaus mit rund 150-jähriger Tradition gilt mit rund 2.000 Beschäftigten als einer der größten Arbeitgeber in Potsdam. Namensgeber ist der Pfarrer und Sozialreformer Johann-Friedrich Oberlin (1740-1826).