Die tatsächliche Größe der Szene sei schwer einzuordnen, sagte die Rechtsextremismus-Expertin bei einem Online-Vortrag des Darmstädter Netzwerks für politische Bildung. Vor vier Jahren sei der harte Kern auf rund 150.000 Personen geschätzt worden. "Aber mein Eindruck ist, dass das zunimmt", sagte Bednarz.
Schnittstellen zwischen eher rechts eingestelltem Christentum und offenem Rechtsradikalismus seien Themen wie Gender, Abtreibung, Islam- und Homosexuellenfeindlichkeit, erläuterte Bednarz. Kennzeichnend für die Radikalen sei ein elitäres Selbstverständnis. Sie redeten von einer "Zeitgeist-Kirche" und inszenierten sich als das wahre Christentum. Die Behauptung, Kirche solle sich nicht in Politik einmischen, solle verschleiern, dass ihre eigenen Botschaften selbst hochpolitisch seien.
Konservative müssen sich abgrenzen
"Erschreckenderweise machen diese Leute auch mobil gegen Corona-Schutzmaßnahmen", sagte sie. Das sei allerdings ein Widerspruch zum sonst oft proklamierten christlichen Lebensschutz: "Man sollte meinen, dass sie sich als Christen für Schwache einsetzen."
Bednarz, die sich selbst als konservativ und gläubige Christin bezeichnet, grenzte den Konservatismus scharf gegen rechtsradikales Gedankengut ab. Konservatismus habe als zentrale Werte Heimat, Familie, Tradition und Nation, verstehe das aber nicht ausgrenzend. Der rechte Rand hingegen vertrete Antipluralismus und Antiliberalismus.
Zudem nutze der rechte Rand überwiegend Scheinargumente. So werde etwa wahrheitswidrig behauptet, dass Homosexualität unnatürlich oder eine Krankheit sei. Oder er bausche Einzelfälle auf und gebe vor, das sei die Regel - etwa Fälle, in denen Kindergärten die St. Martins-Umzüge in Lichterfeste umbenannt hätten. "Es gab vereinzelt Fälle, in denen das passiert ist", sagte Bednarz, "aber in diesen Kreisen pickt man sich die heraus." Dieser sogenannte Bestätigungsfehler, bei dem Menschen nur wahrnehmen, was ihre Überzeugung bestätigt und alles andere ausblenden, sei typisch für die Szene.
"Es ist eine Illusion zu glauben, dass dieses Denken von allein wieder verschwindet", sagte Bednarz. Insbesondere die Unionsparteien stünden in der Pflicht, den Unterschied zwischen Konservatismus und rechtem Gedankengut deutlich zu machen. Das sei zu lange nicht passiert. "Was nicht funktioniert, ist Anbiederung", kritisierte sie.