Berlin (epd). Vor der Kabinettssitzung zu bundesweit einheitlichen Corona-Regeln gibt es Kritik an der von der Bundesregierung vorgeschlagenen nächtlichen Ausgangssperre. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund äußerte verfassungsrechtliche Bedenken, während Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) "Gesprächsbedarf" anmeldete. Gewerkschaften begrüßten derweil Pläne für eine Corona-Testpflicht in Betrieben. Die Bundesregierung hielt sich am Montag mit Verweis auf noch laufende Abstimmungen bedeckt.
Das Bundeskabinett will bei einer vorgezogenen Sitzung am Dienstag einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der ein bundesweit einheitliches Vorgehen bei hohen Corona-Infektionszahlen im Gesetz festschreibt. Vorgesehen ist eine "Notbremse" mit nächtlichen Ausgangssperren, strikten Kontaktbeschränkungen sowie verpflichtenden Corona-Tests für Schülerinnen und Schüler. Ziel ist es, die Infektionszahlen dadurch deutlich zu senken. Konkret soll die "Notbremse" in Landkreisen und kreisfreien Städten gezogen werden, wenn dort mehr als 100 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen registriert werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will darüber hinaus eine Testpflicht für Unternehmen durchsetzen.
Ministerpräsident Kretschmer forderte in der "Welt" (Online/Montag), Änderungen bei einer Reihe von Punkten. Er kritisierte unter anderem, dass auch die nächtliche Ausgangssperre schon ab einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 100 verhängt werden soll. Kretschmer verlangte "eine Ergänzung des Inzidenzwertes um einen Faktor, der die Bettenauslastung beschreibt, eine Eingriffsschwelle für die Ausgangssperre erst ab einer Inzidenz von 200, weitere Ausnahmen für den Einzelhandel, damit die Angelegenheiten des täglichen Bedarfs auch im Falle eines Brücken-Lockdowns weiterhin ermöglicht werden, sowie insbesondere ein Verzicht des Bundes für Regelungen im Schulbereich." Ferner müsse das Gesetz zeitlich befristet werden, "das heißt, es muss automatisch auslaufen".
Auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte der "Rheinischen Post" (Montag) mit Blick auf die geplanten Ausgangsbeschränkungen: "Ein derart tiefgreifender Eingriff muss befristet und genau begründet werden. Hier ist es notwendig, auf einen höheren Inzidenzwert - zum Beispiel 200 und höher - zu setzen." Insgesamt halte der Städte- und Gemeindebund aber mehr bundeseinheitliche Vorgaben im Infektionsschutzgesetz grundsätzlich für richtig.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, begrüßte indes die Pläne für eine Corona-Testpflicht in Betrieben. Die vom Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Arbeitsminister Heil "vorgesehene Pflicht für die Arbeitgeber, ihren Beschäftigten regelmäßige Tests anzubieten, muss jetzt kommen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Aktuell hätten zu wenige Beschäftigte Zugang zu Tests.
Ökonomin Veronika Grimm plädierte ebenfalls dafür, Unternehmen gesetzlich zu Coronatests für Beschäftigte zu verpflichten. "Das ist eine Herausforderung, bei der der Gesetzgeber tätig werden muss. Auch weil nicht zu erwarten ist, dass flächendeckende Tests auf freiwilliger Basis mit ausreichender Konsequenz umgesetzt werden können", sagte Grimm, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Montag). Heils Pläne sehen laut "Bild am Sonntag" vor, dass künftig alle Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, das Recht auf einen Corona-Test pro Woche bekommen. Ein Ministeriumssprecher wollte sich mit Verweis auf die Abstimmungen vor der Kabinettssitzung noch nicht zu den Einzelheiten äußern.
Vor dem Kanzleramt forderten derweil Aktivisten der Organisation Campact einen harten Lockdown: Sie hatten Särge aus Pappe dabei und Plakate, etwa mit der Aufschrift "Corona tötet: Harter Lockdown jetzt!".
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