Dresden (epd). Am Oberlandesgericht Dresden hat ein halbes Jahr nach der Tat der Prozess wegen des tödlichen Messerangriffs auf ein schwules Paar begonnen. Angeklagt ist ein 21-jähriger vorbestrafter Syrer, der von den Behörden bereits 2017 als islamistischer Gefährder eingestuft worden war. Ihm werden Mord, versuchter Mord sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Bei der Messerattacke in der Dresdner Altstadt am Abend des 4. Oktober 2020 war ein 55-jähriger Mann aus Krefeld tödlich verletzt worden. Sein 53-jähriger Partner erlitt schwere Verletzungen. (AZ: 4 St 1/21)
Abdullah A. habe geglaubt, die beiden Männer als gleichgeschlechtliches Paar erkannt zu haben, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft beim Verlesen der Anklage. Eine solche sexuelle Ausrichtung habe er "als schwere Sünde empfunden, für die er die beiden Männer bestrafen wollte". Der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch einen Menschen getötet, hieß es. Er soll das Paar von hinten angegriffen und auf die beiden Touristen unvermittelt eingestochen haben. Hintergrund war laut Bundesanwaltschaft seine radikal-islamistische Gesinnung.
Laut Anklage wählte der Syrer die beiden Tatopfer weniger Tage nach einer Haftentlassung aus, um sie als "ungläubige" Repräsentanten einer offenen Gesellschaftsordnung zu bestrafen. Der Angeklagte wollte sich zu Prozessbeginn zum Tatvorwurf nicht äußern. Als erster Zeuge stellte ein Psychologe aus Münster ein Gutachten zur Persönlichkeit des 21-Jährigen vor.
Der Gutachter hatte im März mit dem Syrer sechseinhalb Stunden in der Justizvollzugsanstalt gesprochen. Es sei "auf dem richtigen Weg, aber noch nicht erfolgreich gewesen", soll der Angeklagte im Gespräch gesagt haben. Homosexuelle seien Feinde Gottes. Sie müssten nach Ansicht des Syrers entweder geschlagen oder getötet werden. Dass er nach seiner Haftentlassung "etwas machen werde", sei sicher gewesen, nur was, das habe er zunächst noch nicht gewusst.
Kurz vor der Tat sei er nicht sicher gewesen, ob das jetzt richtig sei, aber er habe Gott geschworen, etwas zu unternehmen, zitierte der Psychologe den Angeklagten. Er soll am Tattag in einer Dresdner Moschee gebetet haben. Nach dem Angriff habe er "größere Sachen vorbereiten und weitere Ungläubige töten oder nach Syrien zurückkehren wollen", habe er gesagt.
Für die Hauptverhandlung sind zunächst elf weitere Termine bis Ende Mai angesetzt. Der Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen statt.
Der 21-Jährige Angeklagte stand bereits Ende 2018 vor dem Oberlandesgericht Dresden. Er wurde damals nach einem dreimonatigen Prozess zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, weil er im August 2017 unter anderem ein Selbstmordattentat geplant und für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geworben hatte. Laut Anklage hat er sich seit 2016 zunehmend radikalisiert. Weil er in der Haft zwei Bedienstete angriff, saß er schließlich drei Jahre und einen Monat im Gefängnis. Fünf Tage nach seiner Haftentlassung soll er die tödliche Messerattacke verübt haben.