Genf, Addis Abeba (epd). Im Kampf um die äthiopische Krisenregion Tigray gibt es Aussicht auf eine vorsichtige Entspannung der Lage. Die äthiopische Regierung kündigte am Freitag an, das Nachbarland Eritrea habe sich bereiterklärt, seine Truppen aus der Region abzuziehen. Die äthiopische Armee werde umgehend den Schutz der Grenzregion übernehmen, erklärte Ministerpräsident Abiy Ahmed. Eritreische Soldaten haben das äthiopische Militär bei Kämpfen gegen Rebellen in Tigray unterstützt und werden für schwere Verbrechen dort verantwortlich gemacht. Die UN schlugen derweil Alarm, weil Tausende eritreische Flüchtlinge in der Region erneut vertrieben wurden.
Abiy hatte am Dienstag erstmals eingeräumt, dass eritreische Soldaten in Tigray aktiv sind und erklärt, diese würden die Grenze zwischen den beiden Ländern bewachen. Zuvor hatte Äthiopien die Anwesenheit eritreischer Truppen stets bestritten. Eine Waffenruhe lehnte Abiy jedoch nach Gesprächen mit dem Äthiopien-Gesandten der US-Regierung, Chris Coons, ab, wie der Sender "Voice of America" am Donnerstagabend berichtete.
Amnesty International und die äthiopische Menschenrechtskommission hatten unabhängig voneinander Soldaten aus Eritrea vorgeworfen, für Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen verantwortlich zu sein. Bei einem Massaker in der Stadt Axum waren im November demnach Hunderte Menschen von eritreischen Truppen getötet worden. Auch der äthiopischen Armee werden schwere Verbrechen vorgeworfen. Laut "Ärzte ohne Grenzen" haben äthiopische Soldaten vor den Augen von Mitarbeitern der Hilfsorganisation mehrere Menschen hingerichtet.
Unterdessen verwiesen die UN auf das Schicksal Tausender Flüchtlinge aus Eritrea, die in Tigray Sicherheit gesucht hatten. Eine UN-Mission habe im Norden der Region die Überreste der völlig zerstörten und geplünderten Flüchtlingscamps Shimelba und Hitsats untersucht, in denen im Herbst 2020 noch rund 20.000 eritreische Flüchtlinge untergebracht waren, erklärte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Aufgrund der Gewalt in Tigray hätten sie erneut fliehen müssen, sagte Sprecher Boris Cheshirkov.
Mehr als 7.000 von ihnen hätten andere Camps für eritreische Flüchtlinge erreicht. Zu mehr als 2.000 anderen von ihnen habe das UNHCR Kontakt aufnehmen können. Der Verbleib der restlichen Geflohenen sei jedoch ungeklärt, betonte der UNHCR-Sprecher. "Wir wissen nicht, was aus ihnen geworden ist", sagte er.
Die äthiopische Zentralregierung unter Ministerpräsident Ahmed liefert sich seit Anfang November Kämpfe mit der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die bisher in der Region im Norden des Landes an der Macht war. Hintergrund der Eskalation waren Wahlen für das Regionalparlament, die die TPLF entgegen der Anordnung der Zentralregierung abgehalten hatte. Tausende Menschen wurden seither getötet, mehr als 61.000 sind nach UN-Schätzungen ins Nachbarland Sudan geflohen.
epd bdr/her nam