Düsseldorf (epd). Laut internen Ermittlungen sind bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen keine rechtsextremen Tendenzen in größerem Stil erkennbar. So seien "konspirative und handlungsorientierte rechtsextremistische Netzwerke innerhalb der Polizei NRW bislang nicht nachweisbar", heißt es in einem am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags vorgestellten Lagebild des Innenministeriums. Nur in wenigen Einzelfällen bestehe Verdacht auf Kontakt zu oder Mitgliedschaft in rechtsextremistischen Organisationen. Auch seien "Unterwanderungstendenzen oder Beteiligung von Polizistinnen und Polizisten an rechtsextremistischen Netzwerken bisher nicht feststellbar".
Die Ergebnisse der bisher abgeschlossenen Straf- und Disziplinarverfahren lassen den Angaben zufolge "nicht den Schluss zu, dass die Mehrzahl der Akteure über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild verfügt". Bei den aufgedeckten Chatgruppen habe es sich um innerdienstliche "Gesinnungsgemeinschaften" gehandelt, in denen rechtsextremistische Einstellungen geteilt worden seien. Rassismus, Antisemitismus sowie Verherrlichung von Gewalt und des Nationalsozialismus seien dabei das in den Verdachtsfällen festgemachte dominierende rechte Gedankengut.
Insgesamt gibt es den Angaben zufolge aktuell 186 Verdachtsfälle, davon die große Mehrzahl von 170 gegen Polizeibeamte. Weitere Fälle betreffen Verwaltungsbeamte und Regierungsbeschäftigte. Die Ermittlungen führten bislang zu 273 Straf- und Disziplinarverfahren, von denen 72 abgeschlossen sind. Die gegenüber den Verdachtsfällen höhere Zahl erklärt sich den Angaben zufolge daraus, dass ein Fall mehrere Verfahren nach sich ziehen kann. Umfang der Aktivitäten sowie die Ergebnisse der bisher abgeschlossenen Verfahren ließen aber "nicht den Schluss zu, dass die Mehrzahl der Akteure über ein geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild verfügt", bilanziert das Lagebild.
Auch wenn es sich damit nicht um ein Problem der gesamten Polizei handele, wolle er dieses nun zügig "in den Griff bekommen", erklärte Innenminister Herbert Reul (CDU). Das Lagebild liefere die Grundlage, um entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Ein Handlungskonzept will das Land bis spätestens Oktober vorlegen. Ein Pilotprojekt zur Supervision - eine Form der Beratung für Mitarbeiter mit dem Ziel, über das eigene Handeln zu reflektieren und die Qualität professioneller Arbeit zu verbessern - soll nach Ostern beginnen.
Reul hatte die Aufklärung zur Chefsache gemacht, nachdem Polizisten aus Essen und Mülheim an der Ruhr 2020 mit volksverhetzenden Chats aufgeflogen waren. Eine der Chat-Gruppen hieß "Alphateam", eine andere "Kunta Kinte" - nach einem schwarzen Sklaven aus dem Roman und der gleichnamigen Fernsehserie "Roots". Als Konsequenz hatte der Minister den stellvertretenden Verfassungsschutz-Chef Uwe Reichel-Offermann zum Sonderbeauftragten im Kampf gegen Rechtsextremismus bei der Polizei ernannt. Die unter seiner Regie eigens eingerichtete Stabsstelle hat nun das Lagebild erstellt.