Vorbilder sind das Berliner Stadtschloss, die Dresdner Frauenkirche und die Frankfurter Altstadt: Im einst jüdisch geprägten Hamburger Grindelviertel in Uni-Nähe soll in altem Glanz wieder aufgebaut werden, und zwar die zerstörte Bornplatzsynagoge. Über alle Parteigrenzen hinweg wird das Projekt begrüßt. Doch die Kritik aus der jüdischen Community reißt nicht ab. Ein solcher originalgetreuer Wiederaufbau würde die Erinnerung an den Holocaust vernebeln, heißt es. Auch dürfe das Bodendenkmal, das an die Synagoge erinnert, nicht verschwinden. Immerhin ist die Finanzierung von 130 Millionen Euro durch Bund und Stadt bereits gesichert.
Die Bornplatzsynagoge war die größte und prächtigste in ganz Norddeutschland und bot Platz für rund 1.200 Besucher. Im neoromanischen Stil erbaut wurde sie 1906 eingeweiht. Doch NS-Anhänger verwüsteten sie in der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Ein Jahr später ließ die Stadt das Gebäude auf Kosten der jüdischen Gemeinde abreißen. Auf dem Grundstück wurde später ein Bunker gebaut, der heute von der Uni genutzt wird.
Bodenmosaik zeichnet früheren Standort
1960 weihte die Jüdische Gemeinde ihre neue Synagoge im benachbarten Eimsbüttel ein. Der ehemalige Bornplatz heißt heute Joseph-Carlebach-Platz und erinnert an den Hamburger Oberrabbiner Joseph Carlebach (1883-1942). Viele Jahre diente er als Parkplatz. Seit 1988 ziert ihn ein großflächiges Bodenmosaik der Künstlerin Margrit Kahl, das die Umrisse der früheren Synagoge nachzeichnet. Es soll die Leerstelle der abgerissenen Synagoge vergegenwärtigen, wirkt aber eher dekorativ.
Als im Oktober 2019 die Grünen in der Bürgerschaft vorschlugen, die Bornplatzsynagoge wieder aufzubauen, war die Begeisterung groß. Der anwesende Landesrabbiner Shlomo Bistritzky griff die Initiative umgehend auf. Die Synagoge solle nach den Ursprungsplänen wieder aufgebaut werden, kündigte er an. Über die Architektur werde die Jüdische Gemeinde entscheiden, stellte der orthodoxe Landesrabbiner klar. Die kleine Liberale Jüdische Gemeinde, immerhin Keimzelle des weltweiten liberalen Judentums, blieb damit außen vor.
Nachbau könnte "Schlussstrich" signalisieren
Bedenken meldete daraufhin eine Gruppe um die Historikerin Miriam Rürup an, damals noch Leiterin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Ein Nachbau der Synagoge könnte signalisieren, dass damit ein "Schlussstrich" unter die Judenverfolgung in Hamburg gezogen werde. Sinnvoller sei ein Neubau "in zeitgemäßer, zukunftsgerichteter Form".
Ähnlich kritisch äußerte sich die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano (96), Vorsitzende des Auschwitz-Komitees. Sie plädierte für "ein Haus der Begegnung für alle Menschen". Darin solle "über die Ursachen von Antisemitismus, über Solidarität und Gerechtigkeit diskutiert werden".
Ende vorigen Jahres wurde die PR-Kampagne "Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge" gestartet. Innerhalb weniger Wochen wurden mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt, darunter die von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Stefan Heße und "Hosen"-Sänger Campino.
Die bislang heftigste Kritik kam dann aber Anfang des Jahres aus Israel von 45 Akademikern und Nachfahren Hamburger Juden. Am besten sollte an dem Ort gar nichts gebaut werden, fordern sie. Den heutigen Gedenkort durch den Bau einer Replik der alten Synagoge zu ersetzen, sei ein "pietätloser Akt", kritisierte der Antisemitismusforscher Moshe Zimmermann, ein gebürtiger Hamburger. Einer der Unterstützer ist der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor.
In der Rekonstruktion der Synagoge liege ein besonderer Reiz, hält Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, dagegen. Zwar sei die Synagoge kein Dom. "Aber wir schätzen doch alle gerade die alten Sakralbauten, die nach der Zerstörung im Krieg im ursprünglichen Stil wiederaufgebaut wurden." 600.000 Euro hat der Bund für eine Machbarkeitsstudie genehmigt, der Auftrag dazu soll bis Juni vergeben werden.