Hamburg (epd). Für die Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals fordern Betroffene mehr Unterstützung aus der Politik. In einem offenen Brief an die katholischen Bischöfe schlagen Betroffenenvertreter die Einsetzung einer sogenannten Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission durch den Bundestag vor, die den Aufarbeitungsprozess in den Kirchen begleiten solle. "Die Kirche kann es nicht allein. Das hat sie in den vergangenen Jahren zur Genüge bewiesen", heißt es in dem Brief, der in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag) erschienen ist. Aufarbeitung sei keine innerkirchliche Angelegenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Die Verfasser sind Matthias Katsch, Sprecher der Initiative Eckiger Tisch und Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Patrick Bauer und Karl Haucke, ehemalige Mitglieder des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln. Beide traten im Zusammenhang mit dem Streit um die Veröffentlichung eines unabhängigen Gutachtens zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln zurück. Bauer ist Mitglied des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, Haucke ist Mitglied im Verein der Missbrauchsopfer des Redemptoristenordens, einer katholischen Ordensgemeinschaft, die sich nach eigenen Angaben für die Jugendseelsorge und die Glaubensmission einsetzt.
Die Stärkung, Vernetzung und juristische Beratung von Betroffenen müsse endlich auch finanziell unterstützt werden, fordern die Verfasser vor Beginn der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, die in der kommenden Woche online stattfindet. Außerdem schlagen sie die Gründung eines "Opfergenesungswerks" zur Unterstützung der etwa 5.000 lebenden Opfer von sexualisierter Gewalt vor, das von den Kirchen finanziell ausgestattet werden, aber unabhängig operieren und Betroffene mitbeteiligen solle. Darüber hinaus forderten sie erneut eine bessere Entschädigung von Betroffenen. Am Freitag soll auf der Petitionsplattform "WeAct" eine Online-Petition veröffentlicht werden.
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte die Anerkennungsleistungen für Betroffene zu Jahresbeginn neu geregelt. Seither können Betroffene erneut Anträge stellen und erhalten dann bis zu 50.000 Euro. Wer bereits früher eine Entschädigung erhalten hat, kann trotzdem einen erneuten Antrag stellen. Eine Umfrage des Evangelischer Pressedienst (epd) unter den 27 katholischen Bistümern in Deutschland ergab, dass bis Ende 2020 mehr als 19 Millionen Euro an Opfer von Missbrauch in der Kirche gezahlt wurden.