TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Monstermutter"

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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Monstermutter"
31. Januar, ARD, 20.15 Uhr
Ihr letzter Fall führt Olga Lenski noch mal an die Grenze, buchstäblich, weil sie ja im deutsch-polnischen Grenzgebiet ermittelt, aber auch im psychiatrischen Sinn, denn die Frau, auf die sich der Titel bezieht, leidet unter einem Borderline-Syndrom.

Gerade noch hat Louisa "Lou" Bronski (Luzia Oppermann) erbarmungslos zugeschlagen, im nächsten Moment offenbart sie eine verblüffende Empathie. Trotzdem ist der Titel nicht ganz zutreffend: Die Frau ist zwar eine tickende Zeitbombe, aber kein Monster; und schon gar nicht als Mutter. Dennoch hat das Jugendamt ihr das Sorgerecht für Tochter Lilli entzogen: Nach einem bewaffneten Raubüberfall ist Lou als Gefahr für ihr damals drei Jahre altes Kind eingestuft worden.

Mit diesem Überfall beginnt "Monstermutter": Die junge Frau plündert die Kasse eines kleinen Ladens, der auch als Bankfiliale dient, denkt aber daran, ein paar Lutscher für Lilli mitzunehmen. Zwei Jahre später hat Lou ihre Haftstrafe verbüßt, und natürlich will sie Lilli zurück, aber das Kind befindet sich in der Obhut einer Pflegefamilie. Lou ist bereit, über Leichen zu gehen, um die Adresse rauszubekommen: Erst ersticht sie im Affekt eine Mitarbeiterin des Jugendamts mit deren Schere, dann schießt sie auf den Anwalt, der die Vormundschaft für Lilli übernommen hat. Die entsprechende Waffe hat sie Lenski (Maria Simon) abgenommen, die den Juristen warnen wollte und nun zu Lous Geisel wird. Sie soll die Frau zu Lillis Pflegefamilie bringen; aber dort wartet längst Kollege Raczek (Lucas Gregorowicz) mit einem Sondereinsatzkommando.

Damit niemand verraten kann, wie die Geschichte endet, hat der RBB vorab nur eine Fassung ohne Finale zur Verfügung gestellt. Das macht eine seriöse Bewertung etwas schwierig, schließlich kann ein missratener Schluss den guten Gesamteindruck eines Films trüben. Bis dahin ist "Monstermutter" zwar nicht herausragend, aber das waren die Krimis mit Maria Simon ohnehin nur selten, weil auch die interessanten Geschichten zumeist sehr zurückhaltend umgesetzt worden sind.  "Demokratie stirbt in Finsternis" (2018) von Matthias Glasner war eine der wenigen Ausnahmen, die nicht nur inhaltlich, sondern auch bildgestalterisch beeindruckten; der Film mit Jürgen Vogel handelte von einem "Prepper", der überzeugt ist, dass die Gesellschaft unausweichlich in eine Katastrophe hineinsteuert. Zu den gelungenen Episoden zählt außerdem "Heimatliebe" (2019) von Christian Bach (Buch und Regie) über ein paar Ewiggestrige, die die Oder-Neiße-Grenze rückgängig machen wollen. Bach hat auch "Monstermutter" inszeniert. Der Regisseur hat 2014 mit seinem Debütfilm "Hirngespinster" (2014) sein großes Talent offenbart. Das Drama mit Jonas Nay und Tobias Moretti (beide damals mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet) erzählt die Geschichte einer Familie, die an der psychischen Erkrankung des Vaters zu zerbrechen droht. Dieses Thema greift er nun (nach einer Idee von Jan Galli und Christian Klandt) wieder auf: Im Grunde ist "Monstermutter" ein Familiendrama, denn Lou hat als Kind unter einer Mutter gelitten, der sie offenbar nur ein Klotz am Bein war; Jule Böwe verkörpert diese Frau sehr überzeugend als Jammergestalt.

Sehenswert ist der von Bach sehr ruhig inszenierte Film, in dem wie schon in "Heimatliebe" nur die wummernde elektronische Musik von Sebastian Pille für Spannung sorgt, vor allem wegen Luzia Oppermann. Sie spielt den Wechsel von Lous Persönlichkeiten in ihrer ersten Hauptrolle tatsächlich wie auf Knopfdruck, was mehrfach für einen verblüffenden Effekt sorgt: Eben noch hat Lou Lenski verprügelt, weil die Kommissarin eine Pinkelpause genutzt hat, um einen Plattfuß verursachen; unmittelbar drauf ist die Entführerin wie ausgewechselt, entschuldigt sich und wird von einem inneren Leuchten erfüllt, wenn sie über Lilli spricht. Dass die österreichische Schauspielerin die beiden Gesichter von Lou mit jeweils ähnlicher Intensität verkörpert, verstärkt den Kontrast naturgemäß noch. Auch das Wissen um Lenskis Abschied trägt maßgeblich zur Wirkung der Szenen mit den beiden Frauen bei: Eigentlich wollte sich die Kommissarin nach fünf Jahren in der deutsch-polnischen Ermittlungsgruppe in Świecko sang- und klanglos aus dem Staub machen, was Raczek verständlicherweise zutiefst empört; nun muss er um ihr Leben bangen. Eindrucksvoll ist auch die sorgfältige Bildgestaltung: Kameramann Namche Okon hat den Film in satte dunkle Farben getaucht, als läge ein Filter über den Bildern, weshalb selbst sonnige Szenen düster wirken.