Hannover (epd). Die Diskussion um die Möglichkeit eines begleiteten Suizids in kirchlichen Einrichtungen stellt die Diakonie aus Sicht des Vorstandsprechers der Diakonie in Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, vor ein ethisches Dilemma. Auf der einen Seite wolle die Diakonie alles tun, um auch schwerkranken Menschen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen, sagte Lenke am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auf der anderen Seite kenne er aus seiner langjährigen Praxis als Seelsorger Situationen, "die so verzweifelt waren, dass Menschen die Beendigung ihres Leids wünschten", sagte der Theologe: "Das ist schwer zu tragen, für alle Beteiligten."
Die enormen Fortschritte in der Hospiz- und Palliativversorgung hätten hier deutlich für Entlastung gesorgt. "Aber es bleiben Situationen, in denen dieser Wunsch stehen- und offenbleibt." So stelle sich die Frage, bis wohin Helfen und Begleiten gehen dürften.
Die Diskussion war am Montag durch einen Gastbeitrag mehrerer Theologen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" neu entfacht worden, darunter der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie. Darin heißt es, kirchliche Einrichtungen sollten eine bestmögliche Palliativversorgung sicherstellen. Zugleich dürften sie sich aber dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen.
Ausgangspunkt ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar vergangenen Jahres. Die Richter kippten dabei das Verbot organisierter Sterbehilfe und stellten das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben in den Mittelpunkt, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube. Bundestagsabgeordnete wollen noch in diesem Jahr eine gesetzliche Neuregelung auf den Weg bringen.
Laut Lenke wirft das Urteil viele Fragen auf. "Vermeiden möchten wir auf jeden Fall, dass Menschen mit Behinderung oder hohem Pflegebedarf sich als Last empfinden und ihrem Leben ein Ende machen wollen, um ihre Angehörigen finanziell oder pflegerisch oder betreuend zu entlasten", sagte der Vorstandssprecher. "Gerade in der Diakonie haben wir oft mit Menschen zu tun, die akut in irgendeiner Weise beeinträchtigt sind - und meist trotzdem gerne leben", betonte Lenke.
Zudem stelle sich die Frage, ob und wie eine grundsätzliche Entscheidung für einen Suizid korrigiert werden könne, wenn sich etwa das Leben mit einer Demenzerkrankung als beglückender erweise, als es vorher vorstellbar war. Ebenso sei zu beachten, dass es bei einem Recht auf assistierten Suizid auch Menschen geben müsse, die konkrete Hilfe leisteten. Eine Pflicht zur Assistenz kann es laut Lenke nicht geben. Ebensowenig komme eine Vergütung dieser Leistung infrage.
Lenke sagte, ihn treibe ganz persönlich der Widerspruch um, diesen Diskurs in einer Zeit der Pandemie zu führen, in der auf Intensivstationen um Leben gerungen werde und viele Menschen stürben.