Frankfurt a.M. (epd). In der Diskussion über mögliche Lockerungen der Corona-Einschränkungen für Geimpfte haben Ethik-Expertinnen vor übereilten Entscheidungen gewarnt. "Während alle noch auf ihre Impfung warten, ist es in dieser Situation gerechtfertigt, dass diejenigen, die als Erste dran sind, sich noch ein bisschen gedulden", sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx. Der Hausärzteverband und das Ethikrats-Mitglied Petra Bahr sprachen sich am Wochenende dafür aus, gegen Covid-19 Geimpften wieder mehr Freiheitsräume zu eröffnen, wenn feststehe, dass die Menschen nach einer Impfung nicht mehr ansteckend sein können.
Buyx sagte, Vorteile wie das Abnehmen der Maske und Restaurantbesuche seien "im harten Lockdown, bei rammelvollen Intensivstationen, problematisch." Doch betonte die Münchner Professorin in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Je mehr Menschen geimpft sind, desto berechtigter wird die Frage, wie Grundrechtseinschränkungen zurückgefahren werden können."
Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND), man könne doch beispielsweise einer 85-Jährigen, die seit Monaten ihr Pflegeheim weder verlassen, noch dort Besuch empfangen könne, kaum erklären, dass sie trotz einer Impfung weiterhin das Heim nicht verlassen oder ihre Familie sehen dürfe: "Wollen wir dieser Frau ernsthaft zumuten, dass sie sich aus Rücksicht auf die Ungeimpften weiterhin selbst einsperrt?"
Auch die evangelische Theologin Bahr sagte dem epd, etwa in Pflegeheimen, wo die Menschen am meisten unter den gravierenden Einschränkungen gelitten hätten, könne es mehr Freiheiten geben, wenn dort alle, auch das Pflegepersonal, geimpft seien. "Auch für Kultureinrichtungen kann das irgendwann die Rettung sein", sagte sie. Impfungen könnten etwa in Kombination mit Schnelltests für Nicht-Geimpfte dazu führen, dass wieder mehr Menschen einen Jazzclub oder ein Theater besuchen.
Wie Buyx betonte die Regionalbischöfin im Sprengel Hannover jedoch, es sei nachvollziehbar, wenn es in staatlich verantworteten Bereichen bis auf weiteres etwa bei der Maskenpflicht aller bleibe, bis sicher sei, dass das Gesundheitssystem nicht mehr überlastet ist. Denn genau das sei die Begründung für die Einschränkungen der Freiheit.
Unterdessen rief Papst Franziskus die Menschen zum Impfen auf. Es sei eine ethische Pflicht, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. "Du setzt deine Gesundheit aufs Spiel, dein Leben und das Leben der anderen", mahnte er.