Berlin, São Paulo (epd). Wegen der Verhöhnung der Folter-Erfahrung einer politischen Kontrahentin hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro für landesweite Empörung gesorgt. Ex-Präsidentin Dilma Rousseff schulde bis heute den Beweis, dass sie während der Militärdiktatur (1964-1985) misshandelt und ihr dabei der Kiefer gebrochen wurde, sagte er am Montag (Ortszeit) laut der Zeitung "Folha de São Paulo". "Sie soll uns ein Röntgenbild zeigen. Ich bin zwar kein Arzt, aber bis heute warte ich darauf."
Die Aussagen lösten quer durch die politischen Parteien Bestürzung aus. Rousseff hatte sich als Studentin linken Gruppierungen angeschlossen und wurde 1970 inhaftiert. Sie war drei Jahre in Haft und musste schwere Folter ertragen.
Rousseff, die das Land von 2011 bis 2016 regierte, bezeichnete Bolsonaro als Faschisten und Soziopathen, der sich zum Komplizen von Folter und Mord mache. Der liberal-konservative Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso erklärte seine Solidarität mit Rousseff. Mit Folter zu spaßen, sei inakzeptabel, schrieb er in den sozialen Medien. Bolsonaro habe eine Grenze überschritten. Der linke Ex-Präsident und Rousseff- Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva schrieb: "Brasilien verliert jedes Mal ein wenig seiner Menschlichkeit, wenn Jair Bolsonaro den Mund aufmacht."
Bolsonaro hatte immer wieder sein Lob für die Militärdiktatur und ihre Peiniger geäußert. Nach Angaben der Wahrheitskommission wurden in der Zeit mehr als 400 Menschen aus politischen Gründen getötet. Wegen eines Amnestiegesetzes von 1979 wurden die Täter aber nie zur Rechenschaft gezogen. Erst unter der Präsidentschaft von Rousseff wurde 2014 der Bericht der Wahrheitskommission veröffentlicht, der die Menschenrechtsverletzungen und die dafür Verantwortlichen auflistet.