Berlin, Essen (epd). Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier hat rechtliche Bedenken gegen die Impf-Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die grundsätzliche Entscheidung, ob und nach welchen Kriterien einzelne Personengruppen bei der möglicherweise lebensrettenden Impfung bevorzugt würden, müsse "der parlamentarische Gesetzgeber selbst treffen", sagte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Online Sonntag, Print Montag). Dies gelte jedenfalls dann, wenn Impfungen "für eine erhebliche Zeit nicht allen impfwilligen Personen zur Verfügung stehen".
Nur das gewählte Parlament verfüge über die notwendige demokratische Legitimation für solch schicksalhafte Entscheidungen, fügte der ehemals oberste Richter Deutschlands hinzu. Die grundsätzliche Entscheidung über die Priorisierung sei "so wesentlich für den verfassungsrechtlich geforderten Schutz des Lebens und der Gesundheit gleichberechtigt für jedermann, dass diese nicht dem alleinigen Ermessen der Regierung oder des Ministers überantwortet sein kann". Über eine Ministerverordnung dürften nach Papiers Ansicht lediglich die Abgrenzungen der Personengruppen im Detail sowie die Bestimmung des Verfahrens und der Zuständigkeiten geregelt werden.
Spahn hatte am Freitag die Impfverordnung vorgestellt. Sie sieht drei Gruppen vor, die vorrangig geimpft werden sollen. Höchste Priorität haben danach die über 80-Jährigen, Heimbewohner sowie alle Personen, die ambulant oder stationär in der Pflege tätig sind. Dazu kommt Personal aus medizinischen Einrichtungen mit einem sehr hohen Infektionsrisiko, etwa auf Intensivstationen oder in Rettungsdiensten.
Als zweite Gruppe sollen über 70-Jährige, Personen mit schweren Vorerkrankungen und Demenz, Menschen mit geistiger Behinderung, Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen sowie Polizisten und andere Ordnungskräfte geimpft werden. Zur dritten Gruppe gehören über 60-Jährige, Lehrer, Erzieher, "Menschen in prekären Lebenslagen" sowie Vorerkrankte wie Diabetiker, Asthmapatienten, Übergewichtige oder HIV-Erkrankte, Apotheker, Feuerwehrleute und Beschäftigte im Einzelhandel.