Berlin (epd). Der Deutsche Ethikrat fordert in der Corona-Pandemie mehr Unterstützung für die Pflegeheime. Bund und Länder müssten schnellstens einen Rahmen dafür schaffen, dass Ehrenamtliche und Freiwillige in den Einrichtungen helfen und das Pflegepersonal entlasten könnten, heißt es in einer am Freitag in Berlin vorgestellten Empfehlung des Ethikrats. Dabei müssten die Sicherheitsstandards zum Schutz vor Infektionen gewährleistet werden.
Die Langzeitpflege sei ein "ethischer Brennpunkt", sagte die Vorsitzende des Ethikrats, Alena Buyx. Pflegebedürftige Menschen und Bewohner von Altenheimen hätten das höchste Risiko, an einer Corona-Infektion zu sterben und seien zugleich besonders hart von den Schutzmaßnahmen, insbesondere dem Gebot der physischen Distanz, betroffen. Für die alten Menschen erhöhe sich die Gefahr von Isolation, fehlender Gemeinschaftserlebnisse und einer erheblichen Verschlechterung der Gesundheit. Ein Mindestmaß an Kontakten müsse daher gewahrt und auch kontrolliert werden, forderte Buyx bei der Vorstellung der Empfehlung des Ethikrats über ein "Mindestmaß sozialer Kontakte in der Langzeitpflege während der Covid-19-Pandemie".
Die Mitglieder des Gremiums richteten einen eindringlichen Appell an Politik und Gesellschaft, Bewohnern und Personal in Pflegeheimen jetzt zu helfen. Sie sollten durch externe Kräfte, etwa Medizinstudenten, Ehrenamtliche oder ehemalige Beschäftigte des Gesundheitswesens unterstützt werden. Entlohnung und Zusatzkosten müssten von der Pflegeversicherung übernommen werden. Für die Ermöglichung von Besuchen im Heim seien Corona-Tests das wichtigste Instrument. Die Durchführung müsse durch zusätzliche Helferinnen und Helfer gesichert werden.
Der Gerontologe Andreas Kruse betonte, der Ethikrat sage nicht, dass die Pflegekräfte nun noch mehr leisten müssten. Vielmehr sollten sie dringend von außen unterstützt werden - nicht nur bei den Testungen, sondern auch um die Arbeit im Heim aufrechterhalten zu können. Auf Gruppenangebote etwa dürfe "keinesfalls verzichtet werden", betonte Kruse. Die Aktivierung der Pflegebedürftigen gehöre zu den Kernaufgaben einer menschenwürdigen Pflege. Außerdem müsse die Begleitung von sterbenden Menschen gesichert sein. Sie in dieser Grenzsituation allein zu lassen, sei "ethisch und fachlich ein Unding" und auch für das Personal "eine unerträgliche Erfahrung", sagte Kruse. Sterbende bräuchten Beistand, wo gewünscht auch eine seelsorgerliche Begleitung.
In seiner Stellungnahme begrüßte der Ethikrat, dass im Infektionsschutzgesetz inzwischen ein Mindestmaß an sozialen Kontakten festgeschrieben wurde. Die Vorschrift erfasse aber die konkreten Probleme nicht, etwa bei zusätzlich verfügten Besuchsbeschränkungen. Offen bleibe, wie dieses Mindestmaß bestimmt und im Alltag der Einrichtungen gesichert werde, gibt der Ethikrat zu bedenken.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte Anfang Dezember eine Handreichung des Pflegebeauftragten Andreas Westerfellhaus (CDU) für Besuchskonzepte in Pflegeheimen vorgestellt. Ziel ist, dass Bewohner und Bewohnerinnen trotz des notwendigen Infektionsschutzes Besuche erhalten. Sozialverbände hatten kritisiert, das Papier komme spät und gebe zudem keine Hinweise, wie Corona-Tests eingesetzt und durchgeführt werden sollen.
Der niedersächsische Landesverband der privaten Anbieter in der Pflege (bpa) rief in Hannover Bürgerinnen und Bürger mit medizinisch-pflegerischen Vorkenntnissen auf, sich bei ambulanten Pflegediensten oder Heimen in der Region zu melden, um bei den Corona-Testungen zu helfen.