Köln (epd). Fünf Jahre nach den zahlreichen Übergriffen von Männern mit Migrationshintergrund auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015 sehen Sozialexperten weiter politischen Handlungsbedarf. Bekenntnisse zur Willkommenskultur und zum Einwanderungsland Deutschland reichten nicht länger aus. Gefordert sei stattdessen eine weitreichende Integrationskultur, die geflüchtete Menschen auch an der Kriminalprävention teilhaben lasse, erläuterte der Sozialpsychologe Andreas Zick von der Universität Bielefeld am Donnerstag in einer Online-Diskussion zum Thema.
Die Silvesternacht 2015 habe zu "Polarisierungseffekten" im Umgang mit Migranten geführt, bilanzierte Zick. Gab es zum Tatzeitpunkt noch wenig "Migrationswissen" in der Gesellschaft, sei es in der Folge zu einem Einbruch der Willkommenskultur gekommen, auch weil das Thema Migration "hochgradig mit Angst" besetzt gewesen sei. Auch hätten die Medien das Thema Kriminalität von Migranten überbetont.
Als Folge der Silvesternacht hatte der Deutsche Presserat den Pressekodex in Bezug auf die Berichterstattung von Straftaten geändert. Sollte zuvor die Herkunft von Tatverdächtigen nur bei "begründetem Sachbezug" genannt werden, gilt diese Angabe inzwischen als legitim, wenn ein "begründetes öffentliches Interesse" vorliegt. Untersuchungen zufolge stieg die Häufigkeit, mit der ausländische Tatverdächtige in TV-Berichten genannt wurden, seitdem von 3,9 auf 28 Prozent in 2019.
Kriminaldirektor Klaus Zimmermann erinnerte in dem Gespräch an die "Wut und Betroffenheit" bei der Kölner Polizei darüber, "dass Straftaten in diesem Ausmaß geschehen konnten". Zimmermann leitete die "AG Silvester", die sich mit der Aufarbeitung des Geschehens beschäftigte. Die Ursachen, die zu den Ereignissen der Silvesternacht führten, lägen jedoch nicht im Zuständigkeitsbereich der Polizei. Als Konsequenz für die öffentliche Sicherheit lasse die Polizei Situationen wie damals auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz nicht mehr entstehen. Die letzten Silvestereinsätze seien vergleichsweise ruhig verlaufen.
Als Konsequenz aus der Kölner Silvesternacht war im Jahr 2016 auch das Sexualstrafrecht verschärft worden. Sexuelle Übergriffe aus Gruppen sind seitdem ebenso strafbar wie Nötigungen, bei denen sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt. Nach der Silvesternacht hatten Frauen 1.210 Strafanzeigen gestellt, davon 511 wegen sexueller Übergriffe und 28 wegen versuchter oder vollendeter Vergewaltigung. Anzeigen gab es auch wegen Diebstahls. Ein Großteil der Beschuldigten waren Algerier und Marokkaner.