Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.
Lukas 1,26–38 (Hier vorgelesen von Helge Heynold)
Liebe Menschen im Lockdown und im Countdown,
ich bin gerade sehr froh, dass ich Ihnen schreiben kann. Die Zuversichtsbriefe sind in diesem Jahr meine beste Möglichkeit, mich als Pfarrer zu fühlen. Jede Woche habe ich einen Bibeltext vor mir, den ich studieren und auslegen kann. Jede Woche habe ich das Wissen, dass ich das nicht für mich allein tun muss, sondern dass meine Worte von Ihnen gelesen werden. So werden mein Eintauchen in die Texte und meine Auseinandersetzung mit der Pandemie zu einem Ringen, das ich mit Ihnen zusammen bestreiten kann.
In einer Woche werden wir Weihnachten in kleinen Kreisen feiern. Wer gehofft hatte, dass wir die Feiertage locker angehen können, hat sich getäuscht. Zu viele sind krank, zu wenige haben noch Kraft, die Kranken zu pflegen. Lange Zeit habe ich mich vor genau dieser Situation gefürchtet: ein Weihnachtsfest so still wie Ostern. Ich erinnere mich gut daran, wie es mir die Kehle zuschnürte, als ich versuchte, am offenen Fenster „Christ ist erstanden“ zu singen. Und nun wird die Heilige Nacht tatsächlich eine weitgehend stille Nacht werden.
Aber jetzt, wo es bald so weit ist, fürchte ich mich nicht mehr so sehr. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe, meinen Glauben vorwiegend in meinen eigenen vier Wänden zu leben. Es liegt aber auch an dem Weihnachtsfest selbst. Zu Ostern feierten wir den Sieg des Lebens über den Tod. Das fiel angesichts einer potenziell tödlichen Krankheit besonders schwer. Weihnachten ist anders. Es ist zerbrechlicher als Ostern. Eine Frau bringt mitten in der Nacht ein Baby zur Welt. Da kann man es so machen wie die Engel bei den Hirten auf dem Felde. Man kann jubeln, bis der Himmel kocht. Weihnachten geht aber auch anders. Man kann es auf Zehenspitzen feiern, wie es hoffentlich im Stall zuging, als Mutter und Kind endlich eingeschlafen waren.
Das kleine Wesen in der Krippe wird von dem ganzen Trubel um seine Geburt nicht viel mitbekommen haben. Und ob Maria so glücklich war, dass sie kurz nach der Geburt bereits Besuch bekam, darf man auch getrost fragen. Marias Einstellung zu der Geschichte ist recht deutlich. Als der Engel ihr neun Monate vorher verkündet, dass sie nicht nur einen König, sondern den Messias zur Welt bringen wird, fragt sie kurz und klug nach, wie das angehen soll. Der Engel versichert ihr, dass Gott selbst eingreifen wird, und Maria erkennt offensichtlich, dass es hier um etwas Größeres geht als um ihre eigene Zukunfts- oder Familienplanung. Nicht der Engel sagt es zu Maria, sondern Maria sagt es ihm, was ihre Rolle in der Geschichte ist: „Ich bin die Dienerin Gottes; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Und dann beginnt Maria, ihre Rolle auszufüllen, indem sie mitmacht, was geschieht.
Ich kann mir vorstellen, in diesem Jahr Weihnachten aus den Augen der Maria wahrzunehmen. Erschöpft und nicht in der Stimmung, mit den Engeln zu jubilieren, aber unendlich glücklich, dass das Kind da ist. Weihnachten geschehen lassen, wie angekündigt. Meine eigenen Pläne werde ich hintanstellen und dafür meine Augen auf das Kind richten. Ich will seine Zerbrechlichkeit erkennen und mir klarmachen, wie sehr es mich braucht.
Liebe Zuversichtsgemeinde, meine Wochenaufgabe ist diesmal eine herzliche Bitte: Ganz gleich, ob Sie am Heiligabend in die Kirche gehen oder nicht, spenden Sie reichlich an Brot für die Welt! Zu Heiligabend gehen sämtliche Kollekten aller evangelischen Gottesdienste an diese Hilfsorganisation. Helfen Sie bitte mit, dass die gute Arbeit weitergehen kann, auch wenn weniger Menschen etwas in den Klingelbeutel legen können. Wenn Sie diesen Link klicken, können Sie ganz einfach online spenden.
Mein nächster Zuversichtsbrief kommt Weihnachten zu Ihnen. Er wird ein wenig anders aussehen, denn ich erlaube mir, Ihnen dann eine Weihnachtspredigt zu schicken, die ich bereits geschrieben habe. Zum Neujahrstag kommt meine Post dann wieder in der gewohnten Form. Ich wünsche Ihnen gesegnete Feiertage. Bleiben Sie gesund an Körper, Geist und Seele! Und dass Ihnen feierlich werde!
Ihr Frank Muchlinsky