Berlin/São Paulo/Den Haag (epd). Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag befasst sich offiziell mit einer Anzeige gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro wegen Menschenrechtsverbrechen gegen die Ureinwohner. Das gab das Gericht am Montagabend bekannt. In der Anzeige wird Bolsonaro vorgeworfen, in generalisierter und systematischer Form die Menschenrechte der indigenen und traditionellen Bevölkerung zu verletzten und zum Völkermord aufzurufen. Die Anzeige wurde im November vergangenen Jahres vom Kollektiv zur Verteidigung der Menschenrechte CADHu und der Menschenrechtsorganisation Kommission Arns an die Anklage des Strafgerichtshofs übergeben.
Es werde analysiert, "ob auf der Grundlage der verfügbaren Informationen die mutmaßlichen Verbrechen unter die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen" und daher die Eröffnung eines Strafverfahrens rechtfertigten, heißt es. In der Anzeige wird Bolsonaro vorgeworfen, den Amazonas-Regenwald und damit den Lebensraum der indigenen Bevölkerung mit dem Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung zu zerstören. Dabei verweisen die Menschenrechtsorganisationen auch auf die verheerenden Brände im Amazonas-Regenwald, die von Bolsonaro kleingeredet und nicht bekämpft wurden.
Eine weitere Anzeige vor dem Strafgerichtshof von brasilianischen Gewerkschaften wirft Bolsonaro Menschenrechtsverbrechen in der Corona-Pandemie vor. Er habe Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in der Pandemie unterlassen und sei damit mitverantwortlich für den Tod von Zehntausenden Menschen, heißt es darin. Das Gewerkschaftsbündnis vertritt mehr als eine Million Mitglieder.
Die Anklagebehörde des Strafgerichtshofs will zudem in Kürze entscheiden, ob ein Ermittlungsverfahren wegen der Verfolgung von Oppositionellen in Venezuela eröffnet werden kann. Die vorliegenden Hinweise deuteten unter anderem auf Folter und Vergewaltigungen in Gefängnissen hin, heißt es in einem am Montagabend veröffentlichen Bericht der Anklagebehörde. Derzeit werde die Zuständigkeit des Gerichts geprüft. Der Strafgerichtshof kann nur aktiv werden, wenn Venezuela die Verbrechen nicht selbst strafrechtlich verfolgt.