Experte hält gewaltbereite Abspaltung bei "Querdenkern" für denkbar

Experte hält gewaltbereite Abspaltung bei "Querdenkern" für denkbar
13.12.2020
epd
epd-Gespräch: Daniel Staffen-Quandt

Würzburg/London (epd). Der Terrorismus-Experte Peter Neumann vom Londoner King's College hält die Abspaltung einer gewaltbereiten Gruppe aus der "Querdenker"-Bewegung für möglich. Zwar gebe es in der "sehr heterogenen Bewegung" einzelne Strömungen, die durchaus legitime Bedenken gegen staatliche Maßnahmen im Kampf gegen Corona vorbrächten, sagte der Politikwissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es könnte aber eine kleine extremistische Minderheit geben, die ins Gewaltbereite abdriftet und schließlich eine Art "Corona-RAF" gründet, sagte er.

Die AfD versuche derzeit "fast schon verzweifelt", sich an die "Querdenker"-Bewegung dranzuhängen, sagte der gebürtige Würzburger. Doch die Gegner der staatlichen Corona-Maßnahmen bräuchten die AfD "derzeit nicht wirklich", die Verbindungen seien derzeit "eine Einbahnstraße" von der Partei in die Bewegung hinein. Die Verbindungen zwischen AfD und Pegida seien von Anfang an viel stärker gewesen. Die AfD müssen auch aufpassen, die letzten bürgerlichen Reste in ihren Reihen nicht durch eine zu große Nähe zu den "Querdenkern" zu vergraulen, sagte er.

Nach den islamistisch motivierten Anschlägen in Paris, Nizza und Wien sieht Neumann aktuell eine größere Bedrohungslage für solche Anschläge als noch vor ein, zwei Jahren. Allerdings sei das Risiko immer noch deutlich geringer als vor fünf bis sechs Jahren. Damals habe es mit dem Islamischen Staat (IS) eine Organisation gegeben, die im Nahen Osten ein großes Territorium hatte, um dort Terroristen auszubilden. Da das "vermeintlich tausendjährige Reich" des IS kollabiert sei, habe es bei den Islamisten eine gewisse Sinnkrise gegeben. Diese sei aber vorbei.

Generell erwartet Neumann, dass die Polarisierung in der Politik momentan schon wieder rückläufig ist - auch in Deutschland. Die populistischen Strömungen hatten durch die Flüchtlingskrise ab 2015, durch den Brexit, durch die Wahl von Donald Trump in den USA oder Boris Johnson in Großbritannien einen Auftrieb erlebt: "Aber dieser 'Siegeszug' scheint mir vorbei", sagte der Experte für Radikalisierungstendenzen: Der "Drang zu den Rändern" habe aufgehört." Die Wähler hätten nun erlebt, dass die gewählten Populisten "vor allem als Sprücheklopfer gut sind".