Berlin (epd). Die Innenminister von Bund und Ländern haben ein Auslaufen des generellen Abschiebestopps nach Syrien beschlossen. Wie der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Hans-Georg Engelke, am Freitag nach der Innenministerkonferenz in Berlin mitteilte, sollen Abschiebungen ab dem kommenden Jahr wieder in jedem Einzelfall geprüft werden, um Gefährder und Straftäter zurückschicken zu können. Die SPD-Innenminister bleiben trotz des Beschlusses bei ihrer Kritik. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) nannte die Entscheidung sogar "populistisch".
Mit dem Ende des Abschiebestopps seien die Probleme nicht gelöst, sagte Pistorius und verwies auf praktische Schwierigkeiten. So gebe es keine diplomatischen Beziehungen zu Syrien und auch keine Direktflüge aus Deutschland in das Land. Deutschland wäre zudem das erste Land in der EU, das Menschen nach Syrien abschieben würde.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), sagte, die Menschen erwarteten nun, dass im Januar die ersten Maschinen mit Abgeschobenen nach Syrien fliegen. "Und das wird nicht geschehen", sagte er. Damit verliere man Glaubwürdigkeit.
Engelke räumte ein, es werde nicht sofort Abschiebeflüge nach Syrien geben können. Er sagte, es gehe mit dem Beschluss um ein Signal an die Betroffenen, dass es nicht egal sei, was sie in Deutschland täten. Engelke vertrat bei der Innenministerkonferenz Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der zuvor für eine Aufweichung des Abschiebestopps plädiert hatte. Seehofer nahm selbst nicht an den Beratungen teil, weil er sich wegen Kontakts zu einer mit Corona infizierten Mitarbeiterin in vorsorglicher Isolation befindet.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die Entscheidung der Innenminister scharf: "Das ist ein menschenrechtlicher Dammbruch mit fatalen Folgen für die deutsche Außen- und Innenpolitik", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Amnesty International sprach von einem "rechtsstaatlichen Irrweg". Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke sagte, dies signalisiere die Absage an die Idee des humanitären Flüchtlingsschutzes.
Seit 2012 galt für Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien ein Abschiebestopp. 5.719 Syrer waren zum Stichtag 31. Oktober ausreisepflichtig, hatten also kein Aufenthaltsrecht für Deutschland. Rund 90 in Deutschland lebende Syrer werden nach Angaben des Bundesinnenministeriums derzeit von den Landesbehörden als islamistische Gefährder eingestuft. Zu Straftätern konnte das Ministerium keine Angaben machen.
Ein weiteres Thema der Innenministerkonferenz war nach Angaben von deren Vorsitzendem Maier die "Querdenken"-Bewegung. "Unsere Demokratie steht unter Druck, gerade in Zeiten der Pandemie", sagte er mit Blick auf Extremisten in den Reihen der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Die Innenminister empfahlen dabei jedoch nicht, die "Querdenken"-Bewegung durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, wie es Baden-Württemberg schon entschieden hat. Dies entschieden die Behörden selbst, sagte Maier: "Da mischen wir uns nicht ein."
Engelke sagte, insbesondere bei Demonstrationen der Gegner der Corona-Maßnahmen mit großer Teilnehmerzahl würden auch Rechtsextremisten dazu aufrufen. Aus Bundessicht sei das aber noch kein "prägender Charakter" der Bewegung.