Hamburg (epd). Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) fordert, die Kirchen zu den Weihnachtsgottesdiensten trotz der hohen Infektionszahlen offen zu halten. "Ich bedaure, dass die Kirchentüren im ersten Lockdown so lange geschlossen blieben", sagte die CDU-Politikerin der Wochenzeitung "Die Zeit". Sie wisse von keiner einzigen Kirche, die nicht peinlichst darauf bedacht wäre, die Hygieneauflagen zu beachten. Ihre Sorge sei eher, "dass viele, die im ersten Lockdown in Distanz zur Kirche gerieten, dort auch jetzt keine Zuflucht mehr suchen."
Schon ohne Corona fühlten sich viele Menschen "unbehaust und verängstigt durch das Tempo unserer Zeit", sagte Grütters: "Wir sind Teil einer Dynamik, die wir nicht mehr beherrschen. Weihnachten ist der Gegenentwurf: das Innehalten, das Warten und Hoffen, das Ankommen, die Heilsbotschaft. Die entsprechenden Rituale brauchen wir dieses Jahr mehr denn je."
In der Kirche gehe es um elementare Bedürfnisse, fügte Grütters hinzu: "Dieses Weihnachten wird anders sein als zuvor, weniger wegen der Abstandsregeln und der Desinfektionsmittel, sondern weil Existenzsorgen im Raum stehen und weil uns die Trauer um geliebte Menschen, die noch leben könnten, gäbe es keine Pandemie, niederdrückt." Umso größer sei die Sehnsucht nach Trost und Hoffnung. "Ich wünsche mir stillere und doch festliche Gottesdienste, die sensibel die frohe Botschaft verkünden", unterstrich die Katholikin.
Grütters warnte davor, Kirchen und Kulturbereich während der Pandemie gegeneinander auszuspielen. "Kirche und Kultur haben viel gemeinsam, bringen wir sie also bitte nicht gegeneinander in Stellung. Im Zweifelsfall würden die Kirchen auch geschlossen und die Theater trotzdem nicht geöffnet", sagte sie mit Blick auf Kritik, dass den Kirchen von der Politik mehr Freiräume eingeräumt wurden als etwa dem Konzertbereich. "Wenn die Kultur stillsteht, braucht es die Kirchen umso dringender: Jeder kennt Menschen, die jetzt traurig, deprimiert oder gar verzweifelt sind. Das lässt sich nicht allein durch staatliche Corona-Hilfen auffangen", so Grütters.
Es wäre gut, wenn Kirche und Kultur einander noch mehr entdeckten, "zumal die Kirchen zu den wichtigsten Kulturträgern in Deutschland zählen", erklärte die CDU-Politikerin: "Sie selber unterschätzen manchmal, was für ein bedeutsamer Orientierungspunkt sie sind."
Geschlossene Kirchen seien etwas anderes als geschlossene Geschäfte, so Grütters: "Wenn so viel Verstörendes passiert wie jetzt, dann belastet das uns alle im Innersten. Umso dringlicher ist das Bedürfnis nach Seelsorge. Das Digitale ist dafür sicher kein Ersatz. Und die Osternacht im Mainzer Dom, die ich mit meiner Mutter im Fernsehen angeschaut habe, war so kühl und distanziert, dass es mehr weh- als guttat."