Bremen (epd). Trotz eines gerichtlich bestätigten Demonstrationsverbotes haben am Samstag Anhänger der "Querdenker"-Bewegung an mehreren Stellen in der Bremer Innenstadt gegen die Anti-Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern demonstriert. Die Polizei war mit einem Großaufgebot unterwegs. Ihre Bilanz: mehr als 450 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten, davon mindestens 150 wegen Corona-Verstößen, dazu mehrere Strafanzeigen wegen Landfriedensbruch. Sie erteilten über 300 Platzverweise und stellten in mehr als 460 Fällen Personalien fest. Zwei Polizisten wurden verletzt. Auch in Mannheim, Hamburg und Schwerin gingen Anhänger der Bewegung auf die Straße.
Das Bremer Ordnungsamt hatte die "Querdenker"-Demonstrationen und spontane Protestaktionen jeglicher Art mit Blick auf die Corona-Pandemie und die öffentliche Sicherheit untersagt. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht bestätigten die Entscheidung, das Bundesverfassungsgerichtes lehnte in letzter Instanz einen Eilantrag der "Querdenker" gegen das Verbot kurzfristig ab. Doch viele Kritiker der Corona-Politik hielten sich nicht daran, die Polizei musste bis in den Abend mehrfach verbotene Versammlungen auflösen.
Auch in Mannheim wurde eine für Samstag geplante "Querdenker"-Demonstration letztinstanzlich Verboten. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte ein Verbot der Stadt. Die "Querdenker"-Bewegung habe durch die Werbung für die Versammlung klar gemacht, dass sie nicht bereit sei, sich an die Auflagen zu halten, begründete das Gericht. Die Stadt hatte die Teilnehmerzahl auf 200 begrenzt. Laut Polizei gingen trotz Verbots einige Personen demonstrieren. Zehn von ihnen wurden wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung angezeigt, sieben wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz.
In Hamburg und in Schwerin demonstrierten auch Anhänger der "Querdenker"-Bewegung. Laut Polizei verliefen beide Kundgebungen ohne größere Zwischenfälle. In Hamburg kamen demnach etwa 2.000 Menschen zusammen, in Schwerin nahmen an sechs Veranstaltungen insgesamt 350 Menschen teil und 45 Fahrzeuge an einem Autokorso.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte derweil ein härteres Vorgehen gegen die "Querdenker"-Bewegung. Jeder habe das Recht, die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kritisch zu sehen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Aber wenn die Demokratie angegriffen oder demokratische Organe bedroht würden, wie beim Eindringen von Störern in den Bundestag, müsse dem etwas entgegengesetzt werden. "Bei Gruppen, die sich verfassungsfeindlich äußern oder einen Angriff auf die Demokratie planen, muss sich der Verfassungsschutz einschalten." Das heiße aber nicht, dass alle, die bei solchen Demonstrationen mitlaufen, als Verfassungsfeinde angesehen würden.
In Bremen wurde die Polizei durch Kräfte der Bundespolizei sowie der Länder Bayern, Brandenburg, Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein unterstützt. Aufgrund der teils unübersichtlichen Einsatzlage war auch ein Hubschrauber im Einsatz, Wasserwerfer standen an mehreren Stellen in der Stadt bereit, Beamte mit Hunden waren unterwegs. Journalisten bot die Polizei "safe spaces" an, um sie vor Übergriffen zu schützen. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sagte dem Radio-Bremen-Fernsehmagazin "buten un binnen" zum Großeinsatz der Polizei: "Das wird den Bremer Steuerzahler eine dreiviertel Million Euro kosten, dieser Wahnsinn."
Die "Querdenker" hatten im Vorfeld auf ihrer Facebook-Seite zur Teilnahme an verbotenen Versammlungen aufgerufen. Sie wollten ursprünglich mit bis zu 20.000 Teilnehmern auf der Bürgerweide am Hauptbahnhof demonstrieren. Um das zu verhindern, wurde das Areal eingezäunt.
Nicht verboten waren acht Demonstrationen, die sich gegen die "Querdenker" richteten. So beteiligten sich an einem Aufzug unter dem Motto "Klarer Kopf statt Querdenken" an der Bürgerweide laut Polizei bis zu 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Auf dem Marktplatz gab es mittags eine Mahnwache der Gruppe "Extinction Rebellion". Auf ihrem Plakat stand "Lieber desinfiziert und informiert als desinformiert und infiziert". Polizisten verhinderten mehrfach ein Aufeinandertreffen von Gegnern und Befürwortern der "Querdenker".
epd lnb/lnh nam