Frankfurt a.M., Addis Abeba (epd). Nach dem Ablauf eines Ultimatums an die Führung der Tigray-Region plant die äthiopische Armee ein weiteres Vorrücken im Norden des Landes. Ministerpräsident Abiy Ahmed kündigte am Donnerstag eine Endoffensive des Militärs gegen die Aufständischen an. Das letzte Tor zum Frieden sei nun geschlossen, erklärte er. Weltweit wächst die Besorgnis über eine drohende Eskalation des Konflikts zwischen der Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba und der in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF. Hunderte Menschen sind Berichten zufolge bereits getötet worden. Zehntausende sind auf der Flucht.
Abiy erklärte, die Armee werde alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen und die Regionalhauptstadt Mekelle nicht schwer zu beschädigen. Die Regierung hatte der TPLF ein Ultimatum gestellt, sich zu ergeben, das am Mittwochabend abgelaufen war. Die Regierung teilte auch mit, Tausende TPLF-Kämpfer hätten die Waffen niedergelegt. Die TPLF-Führung bestreitet dies und will weiter kämpfen. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es keine unabhängigen Berichte über die Lage.
UN-Generalsekretär António Guterres und die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hatten die Konfliktparteien zu Zurückhaltung aufgefordert. Sie müssten alles tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Afrikanische Union ernannte drei hochrangige Sondergesandte, die am Mittwoch nach Äthiopien reisen sollten. Ministerpräsident Abiy hat Vermittlungsangebote jedoch bisher zurückgewiesen. Nach Schätzung der Vereinten Nationen flohen bereits etwa 40.000 Menschen über die Grenze in den Sudan.
Die Armee der äthiopischen Regierung und die TPLF liefern sich seit Anfang November heftige Kämpfe um die Kontrolle der Region. Grund ist ein Streit um die Macht und den Einfluss der Tigray-Volksgruppe in der Zentralregierung von Ministerpräsident Abiy. Die TPLF war maßgeblich am bewaffneten Kampf zum Sturz des Mengistu-Regimes 1991 beteiligt und hatte lange eine starke Stellung in der Staats- und Armeeführung. Abiy gehört der Volksgruppe der Oromo an und amtiert seit 2018. Er sorgte für eine politische Öffnung des Landes und einen Friedensvertrag mit dem Nachbarland Eritrea, wofür er den Friedensnobelpreis erhielt.