Brüssel, Berlin (epd). Vertreter der EU und des Bundesentwicklungsministeriums haben die geplanten Gesetzesinitiativen zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette mit Blick auf die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen verteidigt. Die Krise habe gezeigt, dass europäische Unternehmen widerstandsfähiger werden müssten, erklärte Lucrezia Busa von der EU-Kommission am Donnerstag bei einer Online-Konferenz der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Eine bessere Kontrolle ihrer Lieferketten würde die Widerstandfähigkeit stärken, betonte Busa.
Ähnlich argumentierte Anosha Wahidi aus dem Entwicklungsministerium. Firmen mit starkem Lieferkettenmanagement seien besser durch die Krise gekommen, erklärte sie. Zudem forderten Verbraucher gerade jetzt, dass Firmen ihrer Verantwortung nachkämen. Auch Thilo Hoppe vom Hilfswerk "Brot für die Welt" sprach sich für ein baldiges Gesetz aus. Denn zahlreiche Produzenten, Kleinbauern und Näherinnen in anderen Ländern seien viel stärker von der Krise betroffen als deutsche und europäische Firmen.
Dagegen kritisierte der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss den Zeitpunkt. Die politische Signalwirkung in die Rezession hinein sei falsch. Voss sagte auch, ein nationales Gesetz mache mit Blick auf die EU-Ebene "kaum mehr Sinn" und würde für die Firmen womöglich zu Umstellungsbelastungen führen. Generell warb Voss dafür, die Anliegen der Wirtschaft zu berücksichtigen.
Zuvor hatte Busa daran erinnert, dass die EU-Kommission im zweiten Quartal 2021 eine Initiative präsentieren will, die "obligatorische Sorgfaltspflichten" für Unternehmen im Hinblick auf ihre Lieferketten umfasst. Wahidi erklärte, das von Gerd Müller (CSU) geführte Entwicklungsministerium und das von Hubertus Heil (SPD) geführte Arbeitsministerium arbeiteten noch mit dem von Peter Altmaier (CDU) geführten Wirtschaftsministerium an Eckpunkten für die nationale und die europäische Ebene. Müller und Heil sind die treibenden Kräfte im Bundeskabinett. Es gebe bei der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen und behördlichen Durchsetzung noch "größeren Diskussionsbedarf", räumte Wahidi ein.
Hoppe forderte, ein Lieferkettengesetz müsse Unternehmen "verbindlich gesetzlich verpflichten, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gerecht zu werden". Die gesamte Lieferkette müsse in den Blick genommen werden und Geschädigte müssten vor deutschen Gerichten auf Schadenersatz klagen können. Warum Sorgfaltspflichten wichtig sind, verdeutlichte Hoppe am Beispiel von Kinderarbeit in Indien. Es gebe zum Beispiel Belege, wonach selbst Achtjährige in Steinbrüchen arbeiten müssten, erklärte Hoppe. "Und diese Steine landen auch in Deutschland", auf Plätzen, Straßen und selbst in Kirchenbauten.