Berlin (epd). Sirenen, Hubschrauber und Wasserwerfer in der Nähe des Bundestages: Erneut ist ein Protest gegen die Corona-Politik der Bundesregierung eskaliert. Mitten im Regierungsviertel ging die Berliner Polizei am Mittwoch mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Zuvor hatten die Sicherheitskräfte vergeblich versucht, eine bereits beendete Versammlung am Brandenburger Tor unweit des Reichstagsgebäudes aufzulösen. Die Demonstranten wollten gegen das Infektionsschutzgesetz protestieren, über das der Bundestag zeitgleich beraten und abstimmen wollte.
Die Gegner warfen der Regierungskoalition vor, Grundrechte zu beschneiden und eine "Corona-Diktatur" zu errichten. Um die Parlamentstätigkeit nicht zu beeinträchtigen, hatte das Bundesinnenministerium weiträumige Absperrungen um den Bundestag verfügt. Trotz der Bannmeile waren mehrere Tausend Menschen demonstrierend ins Regierungsviertel gezogen.
Allein vor dem Brandenburger Tor versammelten sich laut Polizei mehrere tausend Demonstranten. Zur Gesamtzahl der Protestteilnehmer wollte sich die Polizei zunächst nicht äußern. Beobachter sprachen zeitweise von 10.000 bis 14.000 Menschen.
Weil die meisten die Abstandsregeln nicht einhielten und trotz mehrmaliger Aufforderung keine Mund-Nasen-Bedeckungen trugen, wollte die Polizei die Demonstration auflösen. Da die Anweisungen jedoch weitgehend ignoriert wurden, seien die Menschen mit "Wasserwerfern beregnet" worden, twitterte die Polizei. Es sei jedoch kein direkter Strahl eingesetzt worden, weil sich unter den Demonstranten auch Kinder befanden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz im RBB.
Beobachtern zufolge kamen am Brandenburger Tor die Wasserwerfer mehrfach zum Einsatz. Die Demonstranten versuchten sich mit Schirmen, Regenjacken und Parkas zu schützen. In Durchsagen der Polizei wurden die Demonstranten aufgefordert, Beamte nicht zu bedrängen und darauf hingewiesen, dass die Versammlung wegen Nichteinhaltens der Abstands- und Maskenregeln beendet sei. Dennoch verließen die Menschen den Platz nicht. Beobachter vor Ort sprachen von einer "extrem aggressiven Stimmung" unter den Versammlungsteilnehmern.
Auf Twitter sprach die Polizei von rund 190 vorübergehenden Festnahmen bis Mittwochnachmittag. Zwei Personen seien direkt einem Richter vorgeführt worden. Einsatzkräfte seien mit Flaschen, Steinen, Böllern sowie Pfefferspray angegriffen worden. Neun Polizisten seien verletzt worden. Zudem warnte die Polizei vor gefälschten Tweets, die in verschiedenen sozialen Netzwerken kursieren würden. Unter anderem werde behauptet, es gebe einen Schießbefehl. Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehr als 2.000 Beamten im Einsatz, darunter Einsatzkräften aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei.
Kritiker der Corona-Maßnahmen und Leugner der Pandemie, darunter Verschwörungsideologen, Impfgegner und Rechtsextremisten, hatten seit Tagen bundesweit zu den Protesten vor dem Reichstagsgebäude mobilisiert. In den sozialen Netzwerken wurde zum "Tag X" aufgerufen und zur Blockade des Bundestages. Bei einer "Querdenker"-Demonstration Ende August hatten Hunderte Demonstranten eine Absperrung durchbrochen und waren bis zum Portal des Reichstags vorgedrungen.