Magdeburg (epd). Im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter Stephan B. vor dem Oberlandesgericht Naumburg ist am Mittwoch die Beweisaufnahme geschlossen worden. Zugleich hielten die Vertreter der Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer. Dabei sprach Bundesanwalt Kai Lohse von einem der "widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg". Dieser Terroranschlag stelle einen Einschnitt für alle in Deutschland lebende Menschen dar. "Der von unbändigem Hass und Vernichtungswillen angetriebene Attentäter wollte in der Synagoge ein Blutbad anrichten", sagte Lohse vor dem Gericht, das in Magdeburg verhandelt.
B. sei an der Tür der Synagoge gescheitert, aber habe am Ende zwei Menschen ermordet, zahlreiche weitere verletzt und traumatisiert. "B. zielte auf jüdisches Leben und damit auf uns alle", sagte der Bundesanwalt: "Jüdisches Leben ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil Deutschlands." Die in der Anklageschrift benannte rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Motivation habe sich in der Hauptverhandlung in vollem Umfang bestätigt, sagte Lohse. Im juristischen Sinn sei B. ein Einzeltäter, doch er habe sich auf den Nationalsozialismus bezogen und sich "bewusst in eine Reihe der Täter an der Rampe von Auschwitz gestellt". Er habe sich in eine Reihe anderer Anschläge einreihen wollen.
Der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, Matthias Quent, hatte zuvor als letzter Zeuge im Prozess die Zusammenhänge zwischen zahlreichen rechtsextremen Anschlägen der vergangenen Jahre erläutert. Der Soziologe sagte, B. habe sich in einem rechtsextremen Netzwerk radikalisiert und sich auf den Attentäter von Christchurch in Neuseeland bezogen. Beide würden gleiche Verschwörungserzählungen von "einem großen Austausch" vertreten.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte am Rande des Prozesses, es sei deutlich geworden, wie gefährlich die Radikalisierung im Internet sei. Dies müsse stärker beobachtet und bekämpft werden. Klein sagte, auch im Alltag dürfe man nicht aus falsch verstandener Toleranz antisemitische Narrative einfach so stehenlassen.
Klein war am Mittwoch ebenso wie der Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, als Prozessbeobachter im Gerichtssaal. Damit solle auch ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen gesetzt werden, sagte Staffa. Antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Einstellungen, wie sie sich bei dem Anschlag in Halle gezeigt haben, seien weit verbreitet und müssten in allen Zusammenhängen aufgedeckt werden. Das gelte auch für den Bereich der Kirchen. Es müsse ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden, "in der ohne Angst Verschiedenheit gleichberechtigt gelebt werden kann".
B. hatte am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Weil es ihm nicht gelang, mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die Synagoge einzudringen, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und anschließend in einem Döner-Imbiss einen 20-jährigen Mann. Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten angeklagt. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.