Kerzenzieherei in vierter Generation

Arbeiterinnen in der der Kerzenzieherei
Alexandra Barone
Die Kerzenzieherei "Di Giorgio" legt bei der Produktion Wert auf Handarbeit.
Erhellend: Unterwegs im Advent
Kerzenzieherei in vierter Generation
Unweit von Rom befindet sich eine der ältesten Kerzenziehereien Italiens. Die Cereria Di Giorgio beliefert bereits seit über 100 Jahren den Vatikan und bestückt die famose Via Crucis mit ihren Kerzen. evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone hat Alessia Di Giorgio getroffen, die in vierter Generation das Familienunternehmen führt.

Kaum betrete ich die Fabrik der Kerzenzieherei Cereria di Giorgio in Pomezia, einer Stadt nahe Rom, weht mir der Duft von Wachs und Honig entgegen. Geschäftig produzieren die über 30 Mitarbeiter die letzten Weihnachtskerzen. Die großen Aufträge wurden bereits im Oktober und November produziert. Längst zählt nicht nur die Kirche zu den Kunden der Familie Di Giorgio, die in ihrer Fabrik Hunderttausende von Kerzen jährlich produziert und in die ganze Welt exportiert. Auch große Supermarktketten haben die originellen Kerzen in ihren Bestand aufgenommen. 

"Für die nationale Drogeriemarktkette ‚Acqua e Sapone‘ produzieren wir gerade über 100.000 Duftkerzen, die während der Adventszeit an die zahlreichen Kunden verteilt werden", erzählt Geschäftsführerin Alessia Di Giorgio mit lauter Stimme, denn sie muss die vielen modernen Maschinen übertönen. Besonders laut ist die Maschine, die das flüssige Paraffin in Pulver umwandelt. Anschließend wird das Wachspulver in einem Zylinder unter hohem Druck von zwei Stempeln gepresst. Durch den Druck wird das Pulver hart. Der Kerzenrohling wird dann noch in ein zweites Wachsbad getaucht, in dem die Kerze ihre Farbe erhält.

"Die meistverkaufte Kerzenfarbe ist allerdings weiß, auch wenn an Weihnachten natürlich die Farbe rot sehr beliebt ist – gerade für Adventskränze", so Di Giorgio. Die 56-Jährige ist stolz auf ihre Fabrik, die seit vier Generationen im Familienbesitz ist. Seit 1992 arbeitet sie Hand in Hand mit ihrem Vater Pier Luigi, der auch als 83-Jähriger fast jeden Tag ins Büro kommt. Wie ihr Vater hält sich auch Alessia immer wieder gerne in der Fabrik auf, um den Wachsgeruch einzuatmen, mit dem sie so viele schöne Kindheitserinnerungen verbindet. "Schon als kleines Mädchen habe ich mit meiner Schwester bei der Kerzenproduktion zugesehen. Ständig haben wir unsere Finger in das Wachs gehalten", berichtet sie verträumt.

Geschaftsführerin Alessia di Giorgio verbindet mit dem Kerzenwachsgeruch viele schöne Kindheitserinnerungen.

Urgroßvater Giuseppe hat die Kerzenzieherei Cereria Di Giorgio 1908 gegründet. Als der junge Sizilianer aus dem kleinen Dorf Castellamare al Golfo bei Trapani nach Rom kam, war er fasziniert von den vielen imposanten Kirchen. "Mein Urgroßvater kam zwar aus bescheidenen Verhältnissen, aber er hatte sofort den richtigen Riecher. Ihm war klar: Diese vielen Kirchen haben einen enormen Bedarf an Kerzen! Und so hat er sofort zugegriffen, als ihm in der Via della Lungara in Trastevere ein kleines Geschäft zum Kauf angeboten wurde." 1923 wurde die Cereria Di Giorgio zum offiziellen "Päpstlichen Lieferant" für Kirchenkerzen.

Ein weiterer Meilenstein war das Jahr 1950: Giuseppes Sohn Angelo patentierte die liturgische Lampe. Das Ewige Licht kann dank des perfekten Gleichgewichts von Docht, Öl und Wachs eine ganze Woche lang vor dem Allerheiligsten brennen. Der Vatikan würdigte die Erfindung mit einer Empfehlung von Papst Pius XII. Seit jeher beliefern die Di Giorgios auch die Via Crucis am Kolosseum.  "An diesem Tag schließen wir die Fabrik, da ausnahmslos alle an der Kerzenaufstellung entlang des Kreuzwegs beteiligt sind", erklärt Di Giorgio.

Im Geschäft der Kerzenzieherei gibt es neben den Liturgie-Kerzen auch Tischdeko-Kerzen, Grablichter, Opferkerzen und Duftkerzen.

Was klein angefangen hat, hat Alessias Vater Pier Luigi, weiter vergrößert, als er in den 1960er Jahren ein großes Grundstück in Pomezia, nahe Rom, kaufte und eine moderne Fabrik aufbaute mit einem angrenzenden Geschäft. "Vor einem Brand 1999 war hier auch ein kleines Haus, indem wir als Kinder mit unseren Eltern wohnten", erklärt Alessia Di Giorgio, während sie die Maschinen nicht aus den Augen lässt. 

Neben den Bestellungen der Kirchen, ist in den vergangenen zehn bis 15 Jahren die Nachfrage der großen Supermarktketten gestiegen, die für ihren Kunden Hunderttausende von Kerzen ordern. "Wir gehen auch auf individuelle und kleinere Nachfragen ein", erklärt Alessia Di Giorgio, als wir in den kreativeren, handwerklichen Teil der Fabrik gehen. Dort stellt eine Mitarbeiterin in mühsamer Handarbeit gerade Kerzen mit Traubenduft für eine Weinhandlung her, die diese an Weihnachten ihren Stammkunden schenken möchten. 

In mühsamer Kleinarbeit fertigen die Arbeiterinnen besondere Wünsche der Kunden weltweit.

Noch Stunden nach meinem Besuch dreht sich mir der Kopf von dem großen Kerzenangebot, die in der Cereria Di Giorgio hergestellt werden - Kerzen im Glas oder im dekorativen goldenen Becher, Grablichter oder Opferkerzen,
Kerzen für Armleuchter als Tischdeko und Kerzen mit verschiedenen Düften. Nachdenklich zünde ich meinen Adventskranz an, lasse mich von dem angenehmen Honigduft einlullen und denke an Rom.