Raketen auf die eritreische Hauptstadt Asmara gefeuert. Das Nachbarland soll
Äthiopiens Regierung beim Kampf gegen die Rebellen in Tigray unterstützt haben.
Frankfurt a.M., Addis Abeba (epd). Der militärische Konflikt um die Tigray-Region in Äthiopien weitet sich aus. In der Nacht zum Sonntag wurden von der Region aus Raketen auf Asmara, die Hauptstadt des Nachbarlandes Eritrea, abgefeuert, wie der Sender BBC am Sonntag berichtete. Verletzt wurde demnach niemand. Die äthiopische Zentralregierung und die Regionalregierung liefern sich seit mehreren Tagen heftige Kämpfe um die Kontrolle der Tigray-Region.
Die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die die Region im Norden des Landes kontrolliert, erklärte, die Raketenangriffe seien eine Reaktion auf die Unterstützung der Zentralregierung durch Eritrea. Äthiopische Truppen hätten einen eritreischen Flughafen benutzt, um ihre Offensive gegen Tigray auszuführen. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed wies die Vorwürfe am Sonntag indirekt zurück und erklärte in einem Statement, Äthiopien sei in der Lage, die Ziele seiner Operation eigenständig zu erreichen.
Hintergrund des militärischen Konflikts sind seit Monaten bestehende Spannungen zwischen Addis Abeba und Tigray um die für den Sommer geplanten Parlamentswahlen. Ministerpräsident Ahmed hatte die Wahlen wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Regionalregierung in Tigray hatte daraufhin im September Wahlen abgehalten, die Abiy für ungültig erklärte. Seit Anfang November kommt es zu schweren Kämpfen und Gewalt.
Die äthiopische Menschenrechtskommission nahm nach einem Massaker mit möglicherweise mehreren hundert Toten am Samstag Ermittlungen auf und schickte ein Team in die Region. Amnesty International hatte berichtet, dass bei einem Massaker in der Stadt Mai-Kadra in der Region Tigray Mitte November wahrscheinlich Hunderte Menschen getötet wurden.
Der Organisation zufolge wurden in der Stadt die Leichen von zahlreichen Zivilisten gefunden, die mit scharfen Gegenständen wie Macheten und Messern getötet worden seien. Amnesty berief sich auf Aussagen von Zeugen und Aufnahmen aus der Stadt. Weil die Region weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist, gab es aber keine Bestätigung der Entwicklungen in Tigray oder Angaben zu den Tätern. Die Menschrechtskommission, die unabhängig von der Regierung arbeitet, will nach eigenen Angaben Berichten nachgehen, wonach die Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Tigray angegriffen wurden.
Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat und wurde jahrzehntelang von Meles Zenawi regiert, der aus der Region Tigray stammt. Nach der Wahl von Abiy zum Ministerpräsidenten 2018 nahm der Einfluss der Tigray ab. Die äthiopische und die eritreische Regierung haben sich unter Abiys Führung nach jahrzehntelanger Feindschaft in den vergangenen Jahren angenähert. Wegen des Abschlusses eines Friedensabkommens mit Eritrea wurde Abiy 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.