Berlin (epd). Die Bundesregierung spricht von Fortschritten, die Verbände von weiterem Handlungsbedarf. Die Bundesregierung und weitere Akteure der "Konzertierten Aktion Pflege" haben am Freitag eine gemischte Bilanz der bisherigen Bemühungen für Verbesserungen in der Pflege gezogen. Einig waren sich alle, dass Verbesserungen gelungen sind, wichtige Reformen bei den Arbeitsbedingungen und Gehältern aber noch ausstehen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will ein Personalbemessungsverfahren gesetzlich verankern, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am liebsten einen flächendeckenden Tarifvertrag für die Pflege allgemeinverbindlich erklären.
Gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) präsentierten die Minister in Berlin eine Art Zwischenzeugnis über ihre eigene Arbeit. Spahn räumte ein, dass die Corona-Pandemie die schwierige Lage in der Pflege noch verstärkt habe. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, "dass wir so viel für die Pflege getan haben wie wenige Regierungen vor uns". Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe erklärte demgegenüber, viele Maßnahmen seien noch nicht umgesetzt. Bei den großen politischen Vorhaben gebe es noch nicht genug Fortschritt, erklärte Präsidentin Christel Bienstein.
Fünf Arbeitsgruppen hat die "Konzertierte Aktion Pflege", um Verbesserungen bei Ausbildung, Personalstärke, Bezahlung, Digitalisierung und Tarifbindung voranzubringen. Bund, Länder und die maßgeblichen Verbände und Akteure in der Pflege beraten dafür zusammen. Es geht dabei vor allem um die Alten-, aber auch um die Krankenpflege.
In seiner Bilanz verwies Spahn auf eine inzwischen bessere Refinanzierung der Pflege durch die Krankenversicherungen. Gleichzeitig musste er aber auch einräumen, dass die Anstrengungen für mehr Personal immer noch zu wenig Früchte tragen. Von den 13.000 von ihm organisierten zusätzlichen Stellen in der Altenpflege sind nach seinen Worten erst 3.600 besetzt. "Der Arbeitsmarkt ist leergefegt", sagte er. Zudem habe die Corona-Pandemie den Anstrengungen für eine Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland "einen Strich durch die Rechnung gemacht".
Giffey bezeichnete die zum Januar inkraft getretene Reform der Pflegeausbildung, mit der das Schulgeld für Auszubildende abgeschafft wurde, als Erfolg. Zudem seien in diesem Jahr 30 Studiengänge für die Pflegeausbildung gestartet. In einigen Bundesländern, insbesondere Sachsen-Anhalt und Bayern, ist laut Giffey die Zahl der Bewerber für die Ausbildung gestiegen. Giffey hat sich zum Ziel gesetzt, zehn Prozent mehr Bewerber zu gewinnen. Die Caritas erklärte dagegen, es müssten mehr Ausbildungskapazitäten zur Verfügung gestellt werden.
Heil betonte für seinen Bereich die Erhöhungen des Mindestlohns für Pflegehilfs- und Pflegefachkräfte. Für Hilfskräfte soll er zum 1. April 2022 in bis dahin vier Schritten auf 12,55 Euro pro Stunde angehoben werden. Für Fachkräfte gilt ab 1. Juli 2021 eine Lohnuntergrenze von 15 Euro pro Stunde.
Gleichzeitig strebt Heil aber auch an, dass sich die maßgeblichen Arbeitgeber in der Pflege mit den Gewerkschaften auf einen flächendeckenden Tarifvertrag einigen. Dies sei eine "Riesenchance", sagte er und appellierte an die Verhandlungspartner, diese Chance nicht verstreichen zu lassen. Zurückhaltung gibt es bislang bei den privaten Trägern in der Pflege, aber auch bei den Kirchen.
Der evangelische Wohlfahrtsverband Diakonie forderte unterdessen eine weitere Arbeitsgruppe für die "Konzertierte Aktion Pflege", um die Finanzierung der Pflegeversicherung zu beraten. Die Finanzierung der Pflege müsse insgesamt auf die Tagesordnung, erklärte Vorständin Maria Loheide.