Köln (epd). Im Kampf gegen eine Radikalisierung von Gläubigen kommen nach Worten des für die Islamkonferenz zuständigen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, vom Ausland unabhängige Imam-Ausbildungsstätten eine zentrale Rolle zu. Die Verankerung der Imamausbildung in Deutschland durch in Deutschland lebende Muslime in deutscher Sprache sei die hierzulande verfolgte Gegenstrategie, "um genau das zu unterbinden, was wir in ganz Europa seit vielen Jahren beobachten, nämlich eine ungute Einflussnahme durch das Ausland", sagte Kerber am Dienstag im WDR5-"Morgenecho" vor dem Beginn der Islamkonferenz.
Kerber betonte, dass von den heute in Deutschland tätigen Moscheevorbetern keine Radikalisierung ausgehe und dass die überwiegende Mehrheit der muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nichts mit islamistischen Extremismen gemein habe. Aber Radikalisierungsprozesse seien extrem schwierige psychologische Vorgänge. Radikalisierung finde häufig etwa im Internet statt. "Und nicht jeder Attentäter war vorher ein eifriger Moscheegänger", betonte er.
Mit Blick auf die als wenig integrationsfördernd kritisierte Anbindung des Islamverbands Ditib an die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet erläuterte der Staatsekretär, dass er bereits im Jahr 2018 Gespräche in Ankara geführt habe. In diesen Gesprächen sei der türkischen Regierung verdeutlicht worden, dass Deutschland keine "Import"-Imame mehr wolle und dass die Zahl der aus dem Ausland nach Deutschland kommenden Imame in den kommenden Jahren gegen null gehen müsse.
Als erste Reaktion darauf habe die Ditib im vergangenen Jahr in der Eifel ein eigenes Ausbildungszentrum für Ditib-Imame in Deutschland in deutscher Sprache begonnen, erläuterte Kerber. Er würdigte das Projekt und verwies darauf, dass die Ausbildung von geistlichem Personal nach deutscher grundgesetzlicher Verfassungsordnung immer eine Angelegenheit der religiösen Gemeinschaft selbst sei. Dies gelte auch für Christen und Juden. Aber auch typisch für die deutsche verfassungsrechtliche Konstruktion sei eben ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis durch Transparenz.
Kerber würdigte zudem das in Osnabrück an den Start gegangene Islamkolleg als "zentralen Meilenstein". Hier sei "verbandsübergreifend und unabhängig ein Projekt der Imamausbildung in Deutschland durch deutsche Muslime für deutsche Imame geschaffen" worden. Es gebe in Deutschland ein großes Bedürfnis der hierzulande lebenden muslimischen Bürger, ihre religiösen Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen. Mit dem Osnabrücker Kolleg sei hoffentlich ein positiv identitätsstiftendes und Radikalisierung vermeidendes Konstrukt geschaffen worden, das viele Nachahmer finden sollte.
Ab April 2021 sollen in Osnabrück jährlich 20 bis 30 muslimische Geistliche, Seelsorger und Gemeindebetreuer für den praktischen Dienst in Moscheegemeinden in ganz Deutschland ausgebildet werden. Voraussetzung ist ein Bachelor-Abschluss in islamischer Theologie.