UN-Expertin befürchtet mehr tödliche Bootsunglücke im Atlantik

UN-Expertin befürchtet mehr tödliche Bootsunglücke im Atlantik
epd-Gespräch
05.11.2020
epd
epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Genf (epd). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) befürchtet eine Zunahme der tödlichen Bootsunglücke auf der Seeroute von Afrika zu den spanischen Kanaren-Inseln. Die lange Fahrt auf dem Atlantik sei wegen der oft unvorhersehbaren Wetterbedingungen besonders gefährlich, sagte IOM-Sprecherin Safa Msehli dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf.

Mehr als 400 Migranten sind laut der IOM in diesem Jahr auf der Route bereits ums Leben gekommen, rund doppelt so viele Tote wie im gesamten Jahr 2019. Msehli, Expertin für Seenotrettung, verwies auf das schwerste Schiffsunglück in diesem Jahr, bei dem Ende Oktober vor der Küste Senegals ein Boot mit 200 Menschen sank. Davon überlebten 140 Menschen nicht, sie alle waren auf dem Weg zu den Kanaren.

Schlepperbanden haben laut Msehli in diesem Jahr bereits deutlich mehr Menschen über die riskante Route geschleust. Von Januar bis Oktober seien mehr als 11.000 Menschen auf den Kanaren eingetroffen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres seien es 2.557 Migranten und Flüchtlinge gewesen. Anders sieht die Lage laut der IOM auf dem Mittelmeer aus. Dort sank die Zahl der Menschen, die auf dem Seeweg Europa erreichten, in diesem Jahr im Vergleich zu 2019 stark.

Derzeit seien die Registrierungs- und Aufnahmezentren des Roten Kreuzes und der spanischen Regierung auf den Kanaren überfüllt, erklärte Msehli. Für die angekommenen Menschen sei es sehr schwierig, Abstand zu halten, um eine mögliche Corona-Übertragung zu vermeiden. Laut der IOM-Expertin nutzten die spanischen Behörden auch Hotels für die Unterbringung. Die Polizei habe ihre Zentren auf den Kanaren geschlossen, in denen sie Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis festgehalten habe.

Die spanische Regierung habe die Lage noch unter Kontrolle, sagte die IOM-Expertin. In den Zentren auf den Kanaren seien erbärmliche Verhältnisse wie in den Camps auf den griechischen Inseln in absehbarer Zukunft nicht zu befürchten. Die IOM gehört zu den Vereinten Nationen und hat ihren Sitz in Genf.