Bremen (epd). Die Theologin Margot Käßmann mahnt, kinderreiche Familien nicht abschätzig zu beurteilen. "Wenn eine Frau viele Kinder hatte, war das zu biblischen Zeiten ein Zeichen von Segen. Heute wird in Deutschland eine Frau schon bei der Geburt des vierten Kindes mitleidig angesehen, nach dem Motto: Wissen Sie denn nicht, wie man verhütet?", sagte die einstige hannoversche Landesbischöfin und frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche am Sonntag in Bremen. Derartige Äußerungen habe auch sie nach der Geburt ihrer vierten Tochter einstecken müssen. "Frauen, die viele Kinder haben, werden schnell abgewertet."
Käßmann betonte, dass gerade Kinder, die unter vielen Geschwistern aufwachsen, "erwiesenermaßen stärker sozial ausgerichtet sind". Sie lernten früh, Verantwortung für andere zu übernehmen und auch für sich selbst zu sorgen. "Herzensbildung und soziale Bildung" seien ihnen in die Wiege gelegt. "Deshalb ist und bleibt eine große Familie ein Segen, auch in unserer Zeit und in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts - selbst wenn ökonomische und andere Faktoren dagegensprechen", sagte Käßmann in ihrer Predigt in der Bremer Kirche Unser Lieben Frauen.
Zugleich bezeichnete Käßmann den Zugang zu Verhütungsmitteln als ein "Menschenrecht für Frauen". Es sei eine große Befreiung, die Zahl der Kinder selbst bestimmen zu können. So werde Sexualität zu einem "freien Liebesakt zwischen einem Mann und einer Frau, ohne Angst, schwanger zu werden."
Mit Blick auf die Frauen in den ärmsten Ländern unterstrich Käßmann, dass es auch grausam sein könne, "wieder und wieder schwanger zu werden, ohne Perspektive für die Kinder." Zugleich seinen Schwangerschaften in Armut und unter unzureichenden medizinischen Bedingungen auch mit einem hohen Risiko für die Frauen verbunden: "Allein 100.000 mütterliche Todesfälle, so die WHO, könnten jedes Jahr vermieden werden, wenn Frauen, die keine Kinder wollen, sachgemäß verhüten könnten", sagte Käßmann.
Käßmann war zu Gast in der Gottesdienstreihe "Mütter der Bibel", die die innerstädtischen Ratskirche Unser Lieben Frauen anlässlich ihres 1.000-jährigen Bestehens organisiert hat.