Berlin (epd). Der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn sieht Antisemiten in der Offensive. Antisemiten sähen sich nach wie vor im Aufwind, sagte Salzborn der "Berliner Morgenpost" (Montag). "Sie haben nicht das Gefühl, isoliert zu sein, und werden nicht hinreichend kritisiert." Der Antisemitismus sei "in den letzten Jahren auch über Berlin hinaus sehr viel offensiver, offener und gewaltaffiner geworden". Das habe damit zu tun, "dass es nach wie vor viel zu wenig kontinuierlichen Widerspruch gibt", sagte Salzborn.
Antisemitismus werde nicht "als grundlegendes Problem, sondern als etwas Anlassbezogenes verstanden". Deshalb gebe es natürlich zu bestimmten Vorfällen wie etwa dem antisemitischen Anschlag in Halle vor einem Jahr "richtige und wichtige" Erklärungen, sagte Salzborn, der im August als erster Antisemitismusbeauftragter Berlins sein Amt angetreten hat.
Repräsentative Studien zeigten "seit mindestens zehn bis 20 Jahren, dass wir auf der Einstellungsebene 15 bis 20 Prozent Antisemiten in der deutschen Gesellschaft haben". Dabei zeige sich die Diskriminierung, die Juden erfahren, in allen Lebensbereichen. So würden bestimmte Selbstverständlichkeiten wie das Tragen der traditionellen männlichen Kopfbedeckung, der Kippa, oder einer Kette mit Davidstern oft vermieden, "weil man Sorge und Bedenken hat und das selbstbewusste Bekenntnis zum eigenen Glauben als bedroht eingeschätzt wird", sagte Salzborn.