Berlin (epd). Bund und Länder wollen bei regionalen Anstiegen von Corona-Infektionen künftig schneller mit Beschränkungen reagieren. Bereits bei mehr als 35 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche sollen in Landkreisen und Städten Maßnahmen ergriffen werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am späten Mittwochabend nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin. Bislang galt als Grenze der Wert von 50.
Er soll künftig auch weiter gelten, bereits ab der sogenannten Inzidenz von 35 soll aber reagiert werden. Man habe gesehen, wie schnell der Anstieg von 35 auf 50 erfolge, sagte Merkel, die erneut eindringlich darum bat, sich an die Regeln zum Abstand und Tragen einer Maske zu halten. Die Situation sei ernst. "Wir sind bereits in der exponentiellen Phase", sagte sie. Gemeint ist damit ein drastischer Anstieg der Infektionen, bei dem befürchtet wird, dass die Gesundheitsämter nicht mehr alle Kontakte von Infizierten nachverfolgen können, um Ansteckungsketten zu stoppen.
Vorgesehen ist Merkel zufolge, dass bei Ausbruchsgeschehen mit regionalen Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und im Privaten, vor allem bei Feiern, reagiert wird. Bei der Inzidenz von 35 soll laut Beschluss die Grenze in öffentlichen Räumen bei 25, im privaten Raum von 15 Teilnehmern gelten. Bei einer Inzidenz von 50 soll die Grenze noch weiter herabgesenkt werden.
Als erste Reaktion auf 35 Infektionen auf 100.000 Infektionen in sieben Tagen soll außerdem eine erweiterte Maskenpflicht gelten an Orten, an denen Menschen eng oder dicht zusammenkommen. Auch eine Sperrstunde für Restaurants und Kneipen, wie es sie etwa in Berlin und Frankfurt am Main schon gibt, soll dann verhängt werden. Bei einer Inzidenz von 50 soll die Sperrstunde verbindlich ab 23 Uhr gelten. Die genauen Regeln müssen die Bundesländer festlegen. Fünf Länder erklärten bereits in Protokollerklärungen, dass sie gegen die Regeln für Feiern Bedenken haben.
Nicht einig wurde sich die Runde der Regierungschefs und -chefinnen nach Worten der Kanzlerin beim Streit um das Beherbergungsverbot, das einige Bundesländer für Gäste aus Risikogebieten verhängt haben. Das stelle sie nicht zufrieden, sagte Merkel. Über das Thema soll nach den Herbstferien erneut verhandelt werden. Insgesamt verhandelten die Regierungschefs mehr als acht Stunden über die neuen Corona-Maßnahmen.
Das Beschlusspapier stellt auch eine Verlängerung der wirtschaftlichen Hilfen in Aussicht, weil für Betriebe mit weiteren Einschränkungen gerechnet wird. Merkel betonte aber auch, eine zweite Welle mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen wie im Frühjahr könne sich Deutschland nicht leisten.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), sagte, es komme auf die nächsten Wochen an, um erhebliche wirtschaftliche und soziale Konsequenzen zu vermeiden. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagte: "Es ist besser, man ist vor der Welle. Man läuft der Welle nicht hinterher."
Am Mittwoch meldete das Robert Koch-Institut 5.132 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus. Im aktuellen Situationsbericht (Mittwoch) werden 47 der mehr als 400 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland als Risikogebiet ausgewiesen. Dort wurde in den vergangenen sieben Tagen die Marke von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner überschritten.