Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigt die geplante Finanzierung von Reformen in der Pflege aus Steuergeldern. Er sagte am Montag in Berlin, Pflege sei bei einer stark alternden Bevölkerung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er halte es daher für richtig, weite Teile aus Steuergeldern zu finanzieren, und wolle nun in der Koalition besprechen, ob man in dieser Legislaturperiode noch zu einer Gesetzgebung kommen könne, erklärte der CDU-Politiker.
Es gebe dafür unterstützende Signale aus den Bundesländern und vom Koalitionspartner SPD. Er rechne aber auch mit Widerstand, sagte Spahn einen Tag nach Bekanntwerden seiner Vorschläge: "Ich gehe nicht davon aus, dass das eine Debatte ohne Kontroverse wird." Aus der SPD war bereits zu hören, die von Spahn angestrebte Begrenzung der Zuzahlungen für Heimbewohner müsse von deren Vermögen abhängig gemacht werden.
Spahn will die Eigenanteile der Heimbewohner an ihren Pflegekosten auf 700 Euro im Monat und höchstens drei Jahre Zahldauer begrenzen, was einer Summe von 25.200 Euro entspricht. Außerdem will er die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften sicherstellen und die Leistungen für die Pflege zu Hause vereinfachen. Dafür veranschlagt er insgesamt Zusatzausgaben von sechs Milliarden Euro im Jahr, die über einen Bundeszuschuss finanziert werden sollen. Zum Vergleich: Die Ausgaben der Pflegeversicherung liegen pro Jahr bei rund 40 Milliarden Euro.
Die Deckelung der stark steigenden Eigenanteile steht im Zentrum von Spahns Plänen. Die Zuzahlungen zu ihren Pflegekosten sind aber nur ein Teil des Eigenanteils für Heimbewohner, der im Bundesdurchschnitt inzwischen bei rund 2.000 Euro pro Monat liegt. Die alten Menschen zahlen daneben auch für Unterkunft, Essen und die Investitionskosten der Heimträger. Besonders hoch sind die Eigenanteile in Nordrhein-Westfalen und im Süden Deutschlands, während Heimbewohner etwa in Sachsen-Anhalt, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern von einer Deckelung des Pflege-Eigenanteils bei 700 Euro derzeit nicht profitieren würden.
Die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften will Spahn sicherstellen, indem nur noch Heimträger Verträge mit den Pflegekassen abschließen dürfen, die von Arbeitgeberseite und Arbeitnehmern ausgehandelte Tarifverträge anwenden. Für die Pflege zu Hause plant der Minister eine Zusammenfassung zweier Leistungen - der sogenannten Verhinderungs- und Kurzzeitpflege - zu einem Budget, das die pflegenden Familien flexibler ausgeben könnten. Die Summe von 3.330 Euro im Jahr, die Spahn nennt, wäre rund 100 Euro höher als die gegenwärtigen Leistungen.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, begrüßte die Deckelung der Eigenanteile als "richtigen und mutigen Vorschlag". Spahns Pläne zur Flexibilisierung der Budgets für die Pflege zu Hause seien aber noch nicht ausreichend, sagte Westerfellhaus dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Bevollmächtigte hatte eigene Vorschläge vorgelegt, die weitergehen.
Spahn hatte eigentlich vor der Sommerpause Vorschläge für eine Pflegereform machen wollen, dies aber wegen der Corona-Krise verschieben müssen. Sozialverbänden, die schon lange eine Begrenzung der Eigenanteile fordern, gehen seine Pläne nicht weit genug. Die Pflegeversicherung müsse endlich alle Pflegekosten übernehmen, verlangte die Präsidentin des VdK, Verena Bentele. Bereits ein Drittel der Heimbewohner sei auf Sozialhilfe angewiesen, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. "Richtig, aber unzureichend", kommentierte der Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege. Im Durchschnitt führten die Pläne zu einer Entlastung von 86 Euro bei monatlichen Zuzahlungen von über 2.000 Euro, rechnete der Vorsitzende Bodo de Vries vor.