Jüdische Gemeinde Halle: Polizei ist jetzt immer präsent

Jüdische Gemeinde Halle: Polizei ist jetzt immer präsent
02.10.2020
epd
epd-Gespräch: Romy Richter

Halle (epd). Nach dem antisemitischen Anschlag von Halle ist die Sicherheitslage das bestimmende Thema in der betroffenen Jüdischen Gemeinde. Die Frage nach den Konsequenzen für das Gemeindeleben lasse sich allerdings nur schwer beantworten, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zwei Monate nach dem Anschlag sei auf einer Mitgliederversammlung vor allem über die Sicherheitslage gesprochen worden: "Das war das Hauptthema." Nun sei die Polizei immer präsent, 24 Stunden, sieben Tage die Woche: "Das ist etwas Neues, was es früher nicht gab."

In diesem Jahr hätten dann jedoch die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie auch die Jüdische Gemeinde stark beeinflusst, sagte Privorozki. Eine Reihe jüdischer Feiertage sei in diese Zeit der coronabedingten Einschränkungen gefallen. Zuletzt sei auch für Jom Kippur ein größerer Raum gemietet worden, da die Synagoge mit den Abstandsregelungen nicht genügend Platz geboten hätte.

Mit Blick auf den laufenden Prozess gegen den Attentäter Stephan B. sagte der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, es sei zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte das Verfahren als Bühne für seine Ansichten nutzen wollte: "Aber dieses Ausmaß habe ich nicht erwartet." Der Mann sei "fanatisch antisemitisch" und die drohende Strafe, lebenslang mit Sicherungsverwahrung, sei ihm offenbar egal. Privorozki sagte: "Ich habe bereits einige Antisemiten gesehen, aber so jemanden noch nicht."

Privorozki, der auch Nebenkläger in dem Prozess ist, sagte, ihn interessierten die Fragen, wie ein Mensch vom Antisemiten zum Mörder werde und welche Rolle die Eltern dabei spielten. Er zweifelte, dass der Antisemitismus des Angeklagten nur auf Online-Aktivitäten zurückzuführen sei. Es müsse auch Gründe in seiner Familie gegeben haben. Privorozki sagte, es sei kaum zu glauben, dass Mutter und Vater von den Anschlagsvorbereitungen ihres Sohnes nichts bemerkt haben wollen. Er würde sich wünschen, dass diese Fragen noch aufgearbeitet würden.