Warum heißt Ihre Stelle "Segen"?
Oliver Schürrle: Der Segen ist das, was die Kasualien verbindet. Bei Taufe, Trauung, Bestattung, Einweihungen et cetera spielt der Segen eine zentrale Rolle. Das ist auch das, was uns als Kirche auszeichnet. Das macht den Lebensmoment auch zu einem besonderen, weil noch eine weitere Dimension eröffnet wird, die des Glaubens an einen Gott, der uns begleitet. Das Interessante für mich ist dieses Zusammenspiel von Segen und Servicestelle. Da klingt einerseits Gott durch, andererseits ist es auch recht bodenständig. Und genauso verstehen wir uns auch.
Warum ist eine Institution wie Ihre eigentlich notwendig?
Oliver Schürrle: Gerade im großstädtischen Bereich erleben wir oft, dass viele Menschen sich nicht mehr zu ihrer Gemeinde zugehörig fühlen oder gar nicht wissen, welcher Pfarrer eigentlich zuständig ist. Weil die Verbindung zur Ortsgemeinde fehlt, landen viele dann bei freien Rednern oder einer kommerziellen Agentur.
Eine solche "Fachstelle für Lebensbegleitung" könnte ziemlich vieles sein - wie schärfen Sie Ihr Profil?
Oliver Schürrle: Es geht grundsätzlich darum, Kasualien wie Taufe, Trauung und Bestattung wieder stärker an die Kirche anzubinden. Die Menschen sollen nicht mehr zu freien Rednern gehen, wir haben als Kirche durchaus auch einiges zu bieten - dieser Gedanke soll stärker in die Öffentlichkeit getragen werden. Der Begriff "Kasualie" ist außerhalb der Kirche weitgehend unbekannt.
Ihr Büro ist im evangelischen Haus der Kirche "eckstein" in Nürnberg. Wie kommt man von diesem Ort auf niederschwelligem Weg zu den Menschen?
Karola Schürrle: Wir müssen zwar auch mal im Büro sein, aber vor allem dort präsent sein, wo die Menschen sind: In den Medien, aber auch bei den Gemeinden vor Ort: die Pfarramtssekretärin muss wissen, dass es uns gibt. Wir sind dann auch zum Beispiel mit einem Stand auf den Hochzeitsmessen der Region. Da wir für ganz Nordbayern zuständig sind, können wir unseren Wirkungskreis ja nicht nur auf das "eckstein" begrenzen, aber auf keinen Fall alle Kasualien selbst machen. Wir arbeiten an Konzepten, die praktisch ausleihbar sind.
Angenommen, ich komme irgendwo aus dem mittelfränkischen Umland, treffe Sie auf einer Messe und erzähle Ihnen, dass ich heiraten will, meinen Pfarrer aber nicht kenne und mich auch nicht einfach traue anzurufen. Vermitteln Sie dann?
Oliver Schürrle: Ja. Zuerst versuchen wir zu ermitteln, zu welcher Kirchengemeinde Sie gehören und dann den Kontakt herstellen. Das ist viel einfacher, als mancher sich das vorstellen kann. Es müssen aber beide Seiten zusammengebracht werden. Die Vorstellungen des Brautpaares müssen sich mit der Gemeinderealität decken. Wir können beispielsweise auch bei Bestattungen keine Versprechungen machen, die eine Ortsgemeinde aus Mangel an Ressourcen nicht erfüllen kann. Das bedeutet auch für uns, dass wir gerade dort viele Informationen einholen, wo wir uns selbst noch nicht gut auskennen. Aber wir wissen, wo und wen wir fragen müssen.
"Es muss mit der Realität der Gemeinde zusammenpassen"
Anderes Beispiel: Ich möchte auf einer Burg heiraten, brauche dazu noch eine Band und einen Caterer - wie können Sie helfen?
Karola Schürrle: In solchen Fällen treten wir freilich in Konkurrenz mit "Wedding Planern", die ein Rundum-Paket anbieten, aber vielleicht auch in Verbindung mit solchen Agenturen. Catering ist jetzt beispielsweise nicht unser Ding, da empfehlen wir, auf Erfahrungen anderer zurückzugreifen. Aber in Sachen Musik sind wir natürlich breit aufgestellt. Ich muss vielleicht nicht die passende Band für den Tanzabend empfehlen, unsere Aufgabe bezieht sich auf die Trauung selbst.
Oft kommt es ja vor, dass ein Paar von auswärts sich seine Lieblingskirche für die Hochzeit ausgesucht hat, die Pfarrer dort aber nur Gemeindemitglieder trauen. Was tun?
Oliver Schürrle: In diesem Fall würden wir versuchen, einen anderen Pfarrer unseres Vertrauens zu beauftragen und bei der Gemeinde anzufragen, ob sie damit einverstanden wäre. Aber auch hier: Es muss mit der Realität der Gemeinde, in der die besagte Kirche steht, zusammenpassen. Wenn dort beispielsweise im Juli schon zehn Trauungen stattfinden und man jetzt mit der elften kommt, wird es schwierig. Zur Trauung gehört ja auch noch der Mesner oder der Organist dazu. Darüber hinaus haben wir eine Liste von "Traukirchen", die wir speziell bewerben wollen und als Alternativen anbieten. Es gibt eine Reihe wunderschöner Kirchen, die viele nicht so im Blick haben.
"Eine Taufe zuhause im heimischen Garten - klar geht das"
Einerseits erleben wir alle eine immer säkularer werdende Gesellschaft, andererseits ist das Bedürfnis, persönliche Feste würdig, individuell und außergewöhnlich zu feiern groß. Wo ging der Kirche da auf dem Weg Ihrer Meinung nach ein stückweit der Einfluss verloren?
Karola Schürrle: Vielleicht sind wir oftmals selbst schuld, weil wir zu wenig erklären und aufklären. Zum Beispiel wissen viele nicht, dass in der evangelischen Kirche eine Trauung durchaus möglich ist, auch wenn einer der beiden aus der Kirche ausgetreten oder nicht getauft ist. Zudem steht nirgendwo in der Bibel, dass eine Hochzeit oder eine Taufe in einem Kirchenraum stattfinden muss.
Im Juni 2021 findet beispielsweise ein Tauffest für viele am Wöhrder See statt. Wir wurden vor etwa zehn Jahren mal gefragt, ob wir auch eine Taufe zuhause im heimischen Garten machen würden. Da haben wir erst gezögert, Kollegen befragt und viele unterschiedliche Meinungen gehört. Heutzutage wäre das überhaupt keine Frage mehr: Klar geht das.
Gibt es da in theologischer Hinsicht noch Bedenken?
Oliver Schürrle: Gerade in der Kasualtheologie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Früher stand bei der Taufe die Aufnahme in die Gemeinde im Mittelpunkt. Die Lebenswirklichkeit sieht aber anders aus: Eltern kommen vorrangig mit dem Wunsch, dass ihr Kind gesegnet wird. Natürlich wird es damit automatisch Mitglied in der evangelischen Kirche. Das ist aber heute ein nachgeordneter Punkt. Auch bei einer Trauung wird man es nicht schaffen, das Paar im Anschluss mit allen Angeboten der Gemeinde zusammenzubringen. Auch bei der Konfirmation kommen die jungen Menschen, um sich segnen zu lassen und ihr "Ja" zur Kirche zu sagen. Das bedeutet aber nicht, dass sie ab jetzt jahrelang Jugendarbeit machen. So ehrlich müssen wir zu uns selbst auch sein.