Ethikrat rät aktuell von Corona-Immunitätsbescheinigungen ab

Ethikrat rät aktuell von Corona-Immunitätsbescheinigungen ab
Gesundheitsminister Spahn hat einen Corona-Immunitätsausweis ins Gespräch gebracht und den Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten. Sie lautet: aktuell nein. Wenn die Tests sicher sind: jein. Eine Hälfte des Rats ist dafür, die andere dagegen.

Berlin (epd). Aktuell rät der Deutsche Ethikrat einstimmig davon ab, Ausweise über eine Immunität gegen das Covid-19-Virus einzuführen. Gespalten ist das Gremium aber, was einen längerfristigen Umgang mit Immunitätsbescheinigungen angeht, wie aus einer Stellungnahme hervorgeht, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Derzeit bestünden "erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Ausprägung und des zeitlichen Verlaufs einer Immunität und Infektiosität", hieß es. Konkret forderte das Gremium die Politik auf, die derzeitigen, frei verkäuflichen Tests zum Nachweis einer Immunität gegen Covid-19 wegen ihrer zweifelhaften Verlässlichkeit strenger zu regulieren und die Bevölkerung besser über die Aussagekraft der Tests zu informieren.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte den Ethikrat im April um die Stellungnahme gebeten. Die Vorsitzende Alina Buyx sagte, auch in der Bevölkerung gebe es ein großes Bedürfnis nach mehr Klarheit: "Wir haben noch nie so viel Interesse an einer Fragestellung gesehen wie zu diesem Thema." Der Ethikrat hoffe allerdings, dass die Frage nach einer Einführung von Immunitätsnachweisen durch die Entwicklung von Impfungen überholt werde, betonte Buyx.

Sollten Impfungen noch nicht verfügbar, die Tests aber bereits sicher sein, würde die Hälfte des Ethikrats staatlich kontrollierte Immunitätsbescheinigungen unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll halten - die andere Hälfte lehnt sie aber auch dann generell ab. Die Befürworter können sich die Bescheinigungen vorstellen für Risiko-Berufsgruppen wie Pflegekräfte oder um Menschen zu schützen, für die eine Infektion ein besonders hohes Risiko bedeutet. Auflagen wie die Maskenpflicht sollen für Ausweisbesitzer aber genauso weiter gelten wie für alle anderen. Es könnte sogar dazu kommen, dass die nachgewiesene Immunität besondere Verpflichtungen bei der Pandemiebekämpfung nach sich ziehe, erklären die Befürworter.

Die Gruppe der Ethikratsmitglieder, die Immunitätsausweise ablehnt, gibt aus ethischer Perspektive zu bedenken, dass der Status der Immunität eine ungerechte Verteilung von Erleichterungen und Belastungen nach sich ziehe. Es bestehe die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft, hieß es, etwa beim Reisen oder Veranstaltungen. Eng gefasste Ausnahmen seien nur denkbar, wenn Immunitätsausweise neben den üblichen Tests eingesetzt würden, um Kontakte in Alten- oder Behindertenheimen zu ermöglichen. Als Gefahr sehen die Gegner der Immunitätsbescheinigungen, dass die mühsam erlernten Verhaltensregeln aufgeweicht würden, weil sich nachweislich immunisierte Menschen daran nicht mehr gebunden fühlen könnten.

Die Grünen und die Linke im Bundestag begrüßten die Stellungnahme. Es sei nicht verantwortlich, den Immunitätspass als eine Art Freifahrtschein darzustellen, wie dies Gesundheitsminister Spahn versucht habe, erklärten Kirsten Kappert-Gonther und Kordula Schulz-Asche von den Grünen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, sagte, eine Immunitätsbescheinigung spalte die Gesellschaft und lade zu Stigmatisierung ein.

Der Ethikrat berät Bundesregierung und Parlament bei schwierigen Abwägungen zu medizinischen und naturwissenschaftlichen Themen. Regelmäßig veröffentlicht er Stellungnahmen zu ethischen Fragestellungen, etwa zur Sterbehilfe, Präimplantationsdiagnostik oder Gentechnik. Ihm gehören aktuell 24 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Recht, Medizin, Philosophie, Biologie, Theologie sowie der Pflege an.

epd bm/mey mih