Berlin, Dortmund (epd). In Deutschland haben immer mehr Frauen mit Kindern keine feste Wohnung. Dies geht aus dem Jahresbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe (BAG W) hervor, der am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde. Demnach waren im Jahr 2018 rund 27 Prozent der Hilfesuchenden weiblich. Der Frauenanteil habe sich damit in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt. In die Statistik fließen sowohl wohnungslose als auch von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen ein.
Zunehmend suchen den Angaben nach Familien mit Kindern Unterstützung bei Beratungsstellen und Einrichtungen für Wohnungslose. Im Jahr 2018 lebten 21 Prozent der weiblichen und vier Prozent der männlichen Hilfesuchenden in Haushalten mit minderjährigen Kindern. Fast die Hälfte dieser Personen (46 Prozent) seien alleinerziehende Mütter.
Ein Großteil der wohnungslosen Familien (60 Prozent) lebt dem Bericht zufolge bei Angehörigen, Partnern und Bekannten in prekären Mitbewohnerverhältnissen. Insgesamt neun Prozent seien in Notunterkünften oder in Übernachtungsstellen untergebracht. Weitere elf Prozent lebten auf der Straße. Frauen suchten dabei schneller Hilfe als Männer. Zudem seien Frauen im Hilfesystem durchschnittlich jünger.
Insgesamt sinke das Durchschnittsalter der Hilfesuchenden. Waren es vormals meist 40- bis 49-Jährige, die sich an die Wohnungslosenhilfe wandten, sei die größte Gruppe nun die 30- bis 39-Jährigen. Zwischen 2010 und 2018 hat sich der Bundesarbeitsgemeinschaft zufolge zudem die Zahl der Klientinnen und Klienten ohne deutschen Pass mehr als verdoppelt. Inzwischen liege sie bei 30 Prozent.
Der Sozialdienst katholischer Frauen fordert anlässlich des Tages der Wohnungslosen am Freitag mehr Beratungsstellen für Frauen. "Die Praxis zeigt, dass während der Corona-Pandemie die Gefahr der Wohnungslosigkeit für Frauen steigt, denn sie sind besonders betroffen von Einkommensausfällen", sagte die Bundesvorsitzende Hildegard Eckert. Viele Frauen könnten wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht mehr arbeiten gehen. "Hinzu kommt, dass viele Frauen in ungesicherten und prekären Jobs beschäftigt sind, beispielsweise in der Gastronomie, als freischaffende Künstlerin oder in der Prostitution, die nun wegfallen", sagte sie.
Auch Mietstundungen schützten nicht vor dem Verlust der Wohnung, wenn die Mieten später nicht zurückgezahlt werden könnten, betonte der Sozialdienst katholischer Frauen. Gerade alleinerziehende Frauen bräuchten entsprechende Unterstützung, damit Mietschulden zurückgestellt werden und sie in ihren Wohnungen bleiben können. Für diese Gruppe müssten zudem Räumungen ausgesetzt werden, um die Wohnungslosigkeit von Frauen mit Kindern zu verhindern.
Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, mahnt mehr Unterstützung für Wohnungslose durch die Politik an. "Menschen ohne Obdach sind schutzlos. Die Corona-Krise hat ihre Situation massiv verschärft", sagte sie. Durch die Abstands- und Hygieneregeln gibt es weniger Platz in Übernachtungseinrichtungen und in Tagesstätten. Die Diakonie fürchtet zudem einen pandemiebedingten Anstieg der Wohnungslosigkeit. "Keinesfalls dürfen Einrichtungen in die Situation geraten, wohnungslose Menschen mit Verweis auf Corona-Schutzmaßnahmen abweisen zu müssen und sie den Risiken des Lebens auf der Straße bei Kälte auszusetzen", sagte Loheide.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schätzt, dass im Laufe des Jahres 2018 rund 678.000 Menschen ohne Wohnung waren. Zentral und einheitlich erfasst wird die Zahl der obdach- und wohnungslosen Menschen nicht. Obdachlos sind Menschen, die weder einen festen Wohnsitz noch eine Unterkunft haben. Sie übernachten auf der Straße, in Parks, Bushaltestellen oder U-Bahnstationen. Wohnungslose kommen hingegen bei Freunden oder Bekannten, in Notunterkünften oder staatlich finanzierten Wohnheimen unter.